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PORTAL
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Fotos: Manos Meisen
ZUM THEMA: WOHNEN
DIE 2. CHANCE
BEISPIELHAFTE UMNUTZUNG VON BÜROFLÄCHEN ZU WOHNRAUM
von Harald Wennemar
Die Umwandlung zum Wohngebäude kann
vielen ausgedienten Bürogebäuden neues
Leben einhauchen. Jedoch liegen Chance
und Risiko bei einer solchen Bauaufgabe
stets dicht beieinander. Harald Wennemar,
Partner im Architekturbüro konrath und
wennemar aus Düsseldorf, hat seine
Erfahrungen mit diesem Thema gemacht:
Am Beispiel der Umwandlung des „Thyssen
Trade Centers“ zum Wohnprojekt „Living
Circle“ erläutert er, wie schmal dieser Grat
tatsächlich sein kann.
Der Wohnungsmarkt in den deutschen Großstädten bleibt
unter Druck – ein Ende ist zurzeit nicht in Sicht. Wir erle-
ben eine regelrechte Landflucht aus strukturschwäche-
ren Gebieten, die durch demografische Entwicklungen
noch weiter unterstützt wird. Der daraus resultierenden
Wohnungsnachfrage steht jedoch kein ausreichendes
Angebot gegenüber. Hauptursache ist – neben der chroni-
schen Unterbesetzung der Genehmigungsbehörden – feh-
lendes Bauland. Warum nicht leer stehende Büroflächen
zu Wohnraum umnutzen und damit gleich mehrere Fliegen
mit einer Klappe schlagen? Allein in Düsseldorf stehen rund
650.000 Quadratmeter Büroflächen leer – Potenzial also für
6500 zusätzliche Wohnungen?
Die Gleichung geht nicht auf
So einfach die Rechnung auch scheint: Es gibt doch eine
Reihe von Gründen, warum diese Gleichung nicht aufgeht.
Unser Architekturbüro hatte die Gelegenheit, die Umwandlung
des ehemaligen „Thyssen Trade Centers“ in Düsseldorf-
Grafenberg zum „Living Circle“ zu begleiten – einem Quartier
mit 343 Wohnungen sowie einer Kita und einem Nahversorger.
Auch wenn dieses Projekt modellhaft geglückt ist, kann man
einiges darüber lernen, an welchen Voraussetzungen andere
vergleichbare Umnutzungsvorhaben scheitern können.
Wirtschaftliche Voraussetzungen
Das „Thyssen Trade Center“ wurde nach seiner Errichtung
1991 als Hauptverwaltung der Firma Thyssen genutzt. Nach
der Fusion von Thyssen und Krupp wurde die Hauptverwaltung
des neu entstandenen Konzerns im Jahr 2011 nach Essen
verlegt – für das „Thyssen Trade Center“ wurden neue Mieter
gesucht. Es mag sicher mehrere Ursachen geben, warum
nach nur 20 Jahren Nutzungsdauer das Gebäude letztlich
nicht mehr vermietet werden konnte. Ein wesentlicher Grund
liegt möglicherweise in der Gebäudekonzeption für einen
Großmieter; eine Aufteilung in mehrere kleinere Mieteinheiten
konnte nicht überzeugend dargestellt werden. Dieser
Großmieter, der 40.000 Quadratmeter Mietfläche vollständig
oder zumindest großenteils wieder hätte füllen können, war
nicht zu finden.
Deutlicher Flächenverlust
Die Entscheidung, alternativ eine Umnutzung des Objekts in
Wohnraum zu prüfen, scheint naheliegend. Jedoch kann die
Hürde für den Eigentümer sehr hoch sein: Der Wert einer
Büroimmobilie bemisst sich an der potenziell zu erzielenden
Mieteinnahme, auch wenn diese Einnahme im Leerstand nicht
erzielt wird. Der Verkaufspreis mit dem Ziel einer Umnutzung
in Wohnraum dagegen liegt je nach Einzelfall eher beim
Rohbaupreis abzüglich der Rückbaukosten für Fassade und
Innenausbau, zuzüglich eines Grundstücksanteils. Bei einem
Auto würde man vom Schrottwert reden. Ein weiterer preis-
mindernder Effekt liegt darin, dass bei der Flächenermittlung
eines Bürogebäudes alle nutzbaren Flächen erfasst werden,
also zum Beispiel auch Eingangsbereiche und Archive in
Untergeschossen, während die Flächenermittlung eines
Wohngebäudes nur Flächen innerhalb der abgeschlossenen
Wohnungen berücksichtigt.
Abwertung der Immobilie
Allein durch diese Änderung der Berechnungsmethode
kann die gleiche Immobilie rechnerisch schnell 5 Prozent
ihrer Fläche verlieren. Weitere Flächen gehen real verlo-
ren, da sie baulich oder konstruktiv nicht zu Wohnraum