11
PORTAL
42
an den Stellen, an denen vor dem Rückbau Nutzflächen
des Gebäudes lagen, machten die geringen Aufbauhöhen
des Bodens Sonderkonstruktionen erforderlich. Zudem
wurde die Entwässerungsplanung aufgrund der zahlreichen
Niveausprünge der Tiefgaragendecke zum Puzzlespiel.
Kniffelig war in dem Zusammenhang auch der sogenannte
„Überflutungsnachweis“. Der Klimawandel hat uns in den
letzten Jahren erhebliche Starkregenereignisse beschert, die
die Kanalisation häufig an die Grenzen der Leistungsfähigkeit
führt. Daher muss seit 2008 nachgewiesen werden, dass eine
bestimmte Regenmenge auf dem Grundstück vorübergehend
gespeichert werden kann, was in unserem Projekt erst nach
einigem Planungsaufwand gelungen ist.
Reserven für die Realisierungsphase
In der Realisierung rückt die Einhaltung des geplanten
Kosten- und Terminrahmens in den Fokus. Es liegt auf der
Hand, dass der Umgang mit vorhandener Bausubstanz auch
bei sorgfältigster Vorbereitung immer noch genug Potenzial
für Überraschungen beinhaltet. Es ist ratsam, sowohl im
Terminplan als auch im Budget entsprechende Reserven
zu berücksichtigen. Insbesondere sollte eine abgeschlos-
sene und mit allen Planungsdisziplinen synchronisierte
Werkplanung vor Baubeginn vorliegen. Planungsänderungen
bei laufender Baustelle sind im Umbau noch schwie-
riger zu bearbeiten als im Neubau, da die baulichen
Rahmenbedingungen im Bestand die Reaktionsspielräume
sehr einschränken.
Vorteile eines Umbaus
Beim Vergleich der Baukosten ist beim Umbau gegenüber
dem Neubau in der Regel keine Ersparnis erkennbar. Die
wesentlichen Vorteile des Umbaus liegen eher in zwei ande-
ren Effekten. Einerseits ist die Laufzeit des Projekts deutlich
verkürzt. Der vollständige Rückbau des Bestands zuguns-
ten eines Neubaus erfordert zunächst einmal eine längere
Planungsphase, da der Entwurf entwickelt und mit Politik
und Genehmigungsbehörden abgestimmt werden muss.
Die Änderung des Bebauungsplans reduziert sich nicht auf
Foto: Beate Tebartz für konrath und wennemar
Autor: Harald Wennemar (rechts im Bild)
geboren 1968 in Arnsberg
studierte von 1989 bis 1995 Architektur an der RWTH Aachen.
Anschließend arbeitete er fünf Jahre in Düsseldorf bei Ingenhoven
Overdiek und Partner, ehe er im Jahr 2000 zusammen mit Oliver Konrath
(links im Bild) das Büro konrath und wennemar – ebenfalls in Düsseldorf
– gründete. Zudem engagierte er sich von 2011 bis 2015 als Mitglied des
Ausschusses Wettbewerbswesen bei der Architektenkammer Nordrhein-
Westfalen. Seit 2013 ist Harald Wennemar stellvertretender Vorsitzender
des BDA Nordrhein-Westfalen. Doch damit nicht genug: Abseits seines
Berufs ist er seit einigen Jahren ehrenamtlich der Gerechtigkeit verpflich-
tet – und zwar als Schöffe.
die Gebietsausweisung, sondern es muss auch ein völlig
neuer Baukörper planungsrechtlich definiert werden. In
der Bauphase selbst werden der vollständige Rückbau des
Bestands und die Neuerrichtung des Rohbaus zusätzliche
Bauzeit in Anspruch nehmen, während man beim Umbau
relativ schnell in die Ausbauphase einsteigen kann.
Höhere Geschossflächenzahl
Ein weiterer Vorteil des Bestandsumbaus ist in der Regel
die höhere Ausnutzung des Grundstücks. Die Geschoss
flächenzahl als Maßeinheit der Grundstücksausnutzung
liegt bei Gewerbegrundstücken deutlich höher als bei
Grundstücken für den Wohnungsbau; noch höher liegt
sie sogar im Mischgebiet. Konkret kann im Mischgebiet
im Vergleich mit dem Wohngebiet auf der gleichen
Grundstücksgröße das 2,5-fache Bauvolumen errichtet
werden. Im Fall einer Neuplanung ist also zu befürchten,
dass im neuen Baukörper weniger Flächen realisiert wer-
den können als bei Erhalt und Umwandlung des Bestands.
Technisch muss der Umbau natürlich ebenso allen geltenden
Vorschriften genügen wie der Neubau. Wer sich also als
Käufer oder Mieter für eine Wohnung in einem Umbauprojekt
interessiert, kann sicher sein, dass alle geltenden Normen
einschließlich der energetischen Standards in gleicher Weise
eingehalten werden.
Ökologischer Aspekt
Abschließend bleibt zu bemerken, dass in diesem Beitrag der
ökologische Aspekt bisher vollkommen ausgeblendet worden
ist. Natürlich ist es überaus positiv zu bewerten, dass die ein-
mal im Objekt gebundene Energie bei der Umnutzung weit-
gehend erhalten wird, das Gebäude im Kern einem neuen
Lebenszyklus zugeführt wird. Für diesen Aspekt gibt es aber
keine Lobby, er ist für den Auftraggeber intellektuell interes-
sant, aber wirtschaftlich nicht relevant. Für die Zukunft wäre
es wünschenswert, hier Förderprogramme zu entwickeln, um
die ökologischen Vorteile des Umbaus auch wirtschaftlich
interessant zu machen. Sicher könnten so auch noch weitere
Umbaupotenziale für den Wohnungsmarkt aktiviert werden.