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PORTAL
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Foto: Edward Beierle
ZUM THEMA: MÜNCHEN
MIA SAN MIA
ARCHITEKTUR IN BAYERN ZWISCHEN TRADITION UND AVANTGARDE
Von Prof. Ruth Berktold
„Mia san mia“ – so überschreibt unsere
Autorin Prof. Ruth Berktold ihren Ein
leitungsbeitrag zu dieser Ausgabe von
PORTAL über Bayern und die Stadt
München. Sie greift damit auf, was ihre
Landsleute gerne kurz, bündig und vor
allem selbstbewusst über sich selbst
sagen.
Wenn man sich als bayerische Architektin über die
landestypische Bau- und Planungskultur äußern darf,
bekommt man unweigerlich ein bisschen Angst. Will man
seine Kollegen (oder gar sich selbst) hinrichten? Will
man die Stadtplanung oder die Politik in Frage stellen?
Oder beruft man sich auf den bayerischen Dickschädel,
dem alle Neuerungen zuwider oder sogar unheimlich
sind? Wer braucht schon Hochhäuser, die höher sind als
die Türme der Frauenkirche und die Sicht auf die Alpen
versperren? Wer braucht schon einen Transrapid zum
Flughafen, wenn man doch auch eine Stunde gestresst
im Stau stehen kann? Das heftig umstrittene Projekt
scheiterte im Vorfeld der Landtagswahl 2008, offiziell aus
Kostengründen. Ein neu angedachter „Humpel-Express“
„verringert“ die Anreise zum Flughafen immerhin von
40 auf 30 Minuten. Er wird von den Anwohnern wegen
Staugefahr an den Bahnübergängen abgelehnt. Wer will
trotz dreier Terminals eine neue Start- und Landebahn,
wenn die doch Lärm macht? Schlagzeile: „Münchner ver-
hindern dritte Startbahn“ – und nicht nur die.
Neue Landmarken
Neue Mobilitätskonzepte werden seit 20 Jahren im
Arbeitskreis der Inzell-Initiative zwischen Stadt und BMW
angedacht. Doch in Wirklichkeit ist und bleibt München
eine durchgehende Dauerbaustelle, und die Adern der
Stadt sind auch außerhalb der Rushhour verstopft.
Ein neuer Hauptbahnhof für die bayerische Metropole
wurde zwar in mehrfachen Wettbewerben immer wie-
der angedacht und dann auch 2003 von den Münchner
Architekten Auer Weber gewonnen, aber gebaut wird noch
nicht. Ein Teil des Projekts ist ja auch wieder ein Hochhaus
mitten in der Stadt, das allerdings den „Anspruch als
zukunftsorientiertes Tor zur Stadt München“ vollständig
erfüllt. Vergangenes Jahr wurde der Entwurf immerhin im
Stadtrat freigegeben.
Diskussion in München
Die letzte große Diskussion in München, die die Gemüter
erhitzt hat, war die des neuen Konzertsaales. Lange
wurde Lobbyarbeit betrieben für verschiedene Standorte:
Abriss der Philharmonie, Umbau der Neuhausener Post,
Neubau auf der Praterinsel oder ein Konzerthaus auf
dem alten Pfanni-Gelände im Werkviertel. Es gab schon
im Vorfeld zum Wettbewerb einige prominente Kollegen,
die sich freiwillig Gedanken zum Thema machten. Der
Wettbewerb wurde vor Kurzem, Ende 2016, offiziell aus-
geschrieben, und die Gerüchteküche über die Bewerber
füllte ganze Zeitungsartikel: „Diese Architekten sind für
den neuen Münchner Konzertsaal im Gespräch: Frank O.
Gehry, gmp – von Gerkan Marg und Partner, Henning
Larsen Architects, Snøhetta, Schultes Frank und Herzog
& de Meuron (die ja bereits mit der Elbphilharmonie
Erfahrung gesammelt haben).“ Tatsächlich eingegangen
sind rund 200 Bewerbungen, und die nahe Zukunft wird
zeigen, wer einen Vorschlag für das neue Konzerthaus des
Bayerischen-Rundfunk-Orchesters einreichen darf.
Zwischen Lederhose und Laptop
Wir Bayern sind ein lustiges Völkchen. Wir sind fleißig
und gleichzeitig feierfreudig. In der nördlichsten Stadt
Italiens sonnt man sich gern bei jedem Sonnenstrahl.
Auf sämtlichen Plätzen sieht man sie dann: Zehnerreihen
mit Sonnenstühlen, darin wir Münchner, ausgestattet mit
Sonnenbrille und Blick auf die Denkmäler dieser Stadt.
Wir sind ein Volk zwischen Lederhose und Laptop, Tradition
und Start-ups. Das spiegelt sich auch in der Baukultur