8 ZUM THEMA: KONSUM
am Beginn einer jeden Planung steht. Wie werden in den
Einkaufszentren die Kunden geführt? Wie können wir jene
„Nervfaktoren“ reduzieren, die den Besucher eines Centers
dazu verführen könnten, beim nächsten Einkauf eine andere
Örtlichkeit zu probieren? Und es ist gerade dieser kreative
Ansatz, der bei vielen Architekturbüros ohne ausgeprägte
Spezialkenntnisse von den Erfahrungswerten aus anderen
Projekten überlagert wird.
Die Intuition des Besuchers
Denn wo die Rolltreppen und Aufzüge positioniert werden,
ist eben keine naheliegende Entscheidung, die sich aus
Bürohäusern oder öffentlichen Gebäuden ableiten oder ganz
einfach im „Neufert“ nachschlagen lässt. Es geht nämlich
nicht darum, dem spontanen Willen des Kunden und seinen
intuitiven Laufwegen zu entsprechen. Diese Intuition des
Besuchers muss dagegen erst geweckt werden. Er will und
er muss geführt werden. Ist dies nicht der Fall, dann wird
er stattdessen von der Fülle des Angebotes nur überwältigt
und fühlt sich im schlimmsten Falle desorientiert und unwohl.
Gibt es dagegen eine gute Funktionalplanung, dann wird er
behutsam von Ankerfläche zu Ankerfläche geführt, ohne
Zwang entstehen zu lassen. (Ankerflächen sind im Jargon
der Retailplaner jene zentralen Shopping-Marken, die den
großen Besucherstrom am ehesten ansprechen.) Auf diese
Weise werden die hochgefährlichen toten Bereiche im
Shopping-Center vermieden. Der Besucher fühlt sich bei sei-
nem Bummel immer gut unterhalten – und alle Ladenbesitzer
profitieren von einem gleichmäßigen Passantenstrom.
Deshalb befinden sich die benötigten Parkflächen auch
möglichst nicht in Tiefgaragen, sondern – wo immer es nur
geht – in Parketagen über den Einkaufszonen. Dies ist bau-
lich billiger, die Entrauchung funktioniert kostengünstiger
– und die Besucher tröpfeln aus dem Parkhaus durch alle
Ladengeschosse langsam nach unten. Auch wenn es fast
schon wie ein Gemeinplatz klingt: Auch die Toilettenanlagen
zählen zu einer durchdachten Funktionalplanung. Sie müssen
leicht zu finden sein, großzügig dimensioniert, klinisch sau-
ber, gut riechend und vor allem fern von jedem Schmuddel-
Image, das ihnen in der Vergangenheit oft zu schaffen
machte. Gerade hier wird sich künftig noch sehr viel tun.
In internationalen Shopping-Centern kenne ich Toiletten-
Anlagen, die es mit dem WC in der Lobby eines 5-Sterne-
Luxushotels problemlos aufnehmen können. Zwischen Urinal
und Schminkspiegel entscheidet sich sehr oft, ob der Kunde
den Besuch im Center als rundum angenehm empfindet und
gerne wiederkommt – oder eben nicht. Dies hat auch etwas
mit der baulich ausformulierten Wertschätzung der Kunden
zu tun – und damit sind sowohl Shop-Mieter als auch die kau-
fenden Kunden gemeint. Vor allem aber muss das Shopping-
Center eine schlüssige Story erzählen. Und zwar durch alle
öffentlichen Bereiche hindurch. Eine Geschichte, die den
Besuch zum Erlebnis werden lässt und idealerweise in enger
Verbindung zum städtischen Ort steht.
Sehen und gesehen werden
Mit dieser „Story“ lassen sich auch völlig heruntergekomme-
ne Einkaufspassagen aus den 70er-Jahren wiederbeleben,
die ansonsten zur „No Go“-Area in den Innenstädten wurden.
Ein gutes Beispiel dafür ist der „Marstall“ in Ludwigsburg. In
direkter Nachbarschaft zur Schlossanlage waren dort von
70 Geschäften gerade noch zwei vermietet. ECE belebte das
historische Marstall-Gelände thematisch wieder neu und
machte es zum leitmotivischen Motto der Sanierung. Die
Pferdestallungen des Herzogs von Württemberg waren an
dieser Stelle neben dem Barockschloss einst die städtebau-
liche Dominante. Wir haben dieses für Ludwigsburg wichtige
historische Detail wieder erlebbar gemacht. Mit überdimen-
sionalen Stalltüren, mit Bronze-Pferden und mit zahlreichen
kleinen Erinnerungsstücken. Das Projekt ist ernst zu nehmen,
urban und passt perfekt in den städtischen Kontext. Und vor
allem ist es der immense Erfolg des Projektes bei den Bürgern
Ludwigsburgs, der uns Recht gibt. Aus dem Krisenviertel
wurde ein Vorzeige-Platz in der Stadt. In Zusammenarbeit
mit der Stadt Ludwigsburg wurden zudem breite Freitreppen
gebaut, die aus dem Shopping-Center bis in den öffentlichen
Raum ragen. Von dort aus können die Besucher nun das
Leben auf der Straßenbühne der Stadt beobachten (oder sich