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ligen Güterbahnhofs zwischen neuen Bürogebäuden und
der ebenfalls neuen Stadtbibliothek das Milaneo mit großen
Gastronomieflächen und zusätzlichen Wohnetagen gebaut.
Und: Es ist über die Maßen erfolgreich. Und zwar – wie wir
glauben – ohne deshalb wesentliche Kaufkraft aus den bishe-
rigen Einkaufsstraßen abzuziehen. Im Gegenteil: Das Milaneo
wertet die City noch weiter auf. Einer unserer Anker-Mieter,
die irische Primark-Kette, eröffnet gerade in der Königstraße
einen weiteren großflächigen Shop. Dass das „Milaneo“
einen hohen Anspruch an Architektur und Innenarchitektur
haben sollte, war für uns selbstverständlich. Shopping-Center
müssen heutzutage gestalterisch eindeutig „mehr Kante“
zeigen. Der Anspruch des Konsumenten an die Qualität des
Interior Designs steigt kontinuierlich an. Dem dürfen wir nicht
hinterhereilen. Wir müssen selbst die Maßstäbe setzen. In
Stuttgart ist uns dies sozusagen in Eigenarbeit gelungen. Bei
anderen Projekten kooperieren wir immer wieder sehr gerne
mit namhaften deutschen Architekturbüros, denen wir die
Fassadenplanung übertragen. Im Innenraum arbeiten wir
immer wieder mit Interior Designern zusammen. Grundsätzlich
müssen Shopping-Center gestalterisch mehrheitsfähig sein.
Im Gegensatz zur Vergangenheit müssen sie jedoch zugleich
an der Spitze der Avantgarde stehen. Auch die Modelle von
Volkswagen – um den Vergleich zur Automobilindustrie zu
ziehen – sind ja nicht beim latent spießigen „Jetta“ stehen-
geblieben. Dasselbe Auto steht heute für zeitgenössisches
Design, und sein Fahrer lässt sich auch nicht mehr mit dem
Wackeldackel auf der Hutablage blicken.
Branchenmix und Marketing
Darüber hinaus legten wir im genannten Stuttgarter Beispiel
aber wie immer sehr großen Wert darauf, all die erwähn-
ten Faktoren der Funktionalplanung zu beachten, die ich
aufgezählt hatte. Und gerade hier sehe ich den einen
entscheidenden Unterschied zu anderen, vielleicht nicht
ganz so erfolgreichen Center-Konzepten der Region. Das
andere Differenzierungsmerkmal liegt sicherlich im profes-
sionellen Center-Management. Denn dass Architektur und
Innenarchitektur stimmen müssen, dies ist eine grundlegen-
de Voraussetzung. Hinzu kommen allerdings Soft-Faktoren
wie der Branchenmix und das allgemeine Marketing. Es ist
einfach wichtig, für alle potenziellen Besucher eines Centers
die passenden Marken anzubieten. Vor allem, weil bisherige
Großmieter wie Saturn oder Media Markt neue Konzepte
verfolgen und ihre Flächen eher reduzieren und das Angebot
konzentrieren.
Neues entdecken
Das schafft dann Platz für ein „Mehr“ an Markenauswahl
– und eben nicht nur für ein „Mehr“ des ewig Gleichen. In
einem Center muss es immer wieder etwas anderes und
vor allem immer wieder Neues zu „entdecken“ geben. Es
darf keine Langeweile aufkommen. Deshalb ziehen ver-
mehrt Fitness-Anbieter ein, Beauty-Dienstleister und andere
Branchen, die vor Jahren in einer Mall noch undenkbar
gewesen wären. Auch das Parkhaus wird bald viel mehr sein
als eine Abstellfläche für das eigene Fahrzeug. Als Service
wird immer häufiger angeboten, das gute Stück von Hand
zu waschen und den Innenraum zu reinigen. Kommt die
Familie vom Einkauf zurück, ist der Wagen blitzsauber. Und
weil alles nichts nützt, wenn die „Story“ eines Shopping-
Centers vom Besucher nicht „gelesen“ werden kann, setzen
wir auch hier an. Unsere Abteilung bei der ECE besteht
zwar aus klassischen Architekten und Innenarchitekten
– doch eigentlich verstehen wir uns inzwischen viel eher
als Markenarchitekten, deren Zuarbeit selbst bei der
Namensgebung und bei der Logoentwicklung sehr willkom-
men ist. Im Gegensatz zur normalen Agentur greifen wir mit
unserer Arbeit allerdings weit über die Ladenflächen der
einzelnen Händler hinaus und wirken im besten Falle bis tief
hinein in den städtischen Raum. In Stuttgart wurde aus einem
Platz zwischen nur tagsüber belebten Verwaltungsgebäuden
ein neues urbanes Zentrum. Mit dem Aquis Plaza in Aachen
ist es uns gelungen, einen problematisch gewordenen Teil
der Innenstadt wieder aufzuwerten und die Initialzündung für
weitere Investitionen und architektonische Eingriffe zu geben.
Dies ist das Beste, was durch die oftmals so kritisch bewerte-
te Konsum-Architektur erreicht werden kann.
Foto: ECE, Hamburg, DE
Autor: Peter Thode
arbeitet seit 1991 bei ECE, unter anderem in Polen und Russland. Seit 2009
ist er in der Zentrale in Hamburg tätig, seit 2012 als Head of Department
Creative Design. Rund einhundert Projekte hat er bereits realisiert. Eines
der jüngsten ist das Aquis Plaza in Aachen, das wir in der PORTAL auf
Seite 22 vorstellen.
www.ece.com