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ZUM THEMA: KONSUM
POTENZIAL
SHOPPING-CENTER ALS HERAUSFORDERUNG
UND CHANCE FÜR DEUTSCHLANDS ARCHITEKTEN
Von Peter Thode
Ist Konsumarchitektur eine Aufgabe für
Architekten? Ja, ganz eindeutig – meint
der Innenarchitekt Peter Thode, Head of
Creative Design Department Architecture
bei ECE, dem europäischen Marktführer
für innerstädtische Shopping-Center. Aber
leider nicht in Deutschland. Die weltweit
großen Projekte werden überwiegend
von anderen Büros entworfen. Peter
Thode bedauert dies und erklärt, worin
die städtebauliche Verantwortung der
Architekten liegt.
ECE betreibt heute 196 Shopping-Center in Deutschland
und Europa – und einen großen Teil davon haben wir auch
selbst geplant und gebaut. Seit mehr als 50 Jahren wissen
wir, wie Architektur und Innenarchitektur aussehen soll-
ten, die vom Kunden tatsächlich angenommen und von den
Ladenbetreibern wirklich geschätzt werden. Allerdings –
und dies sage ich mit großem Bedauern –, mit dem Entwurf
von Einkaufszentren wird man in Deutschland nicht unbe-
dingt an der Spitze der Architektur-Avantgarde eingeord-
net. Aber immerhin: Die öffentliche Wahrnehmung dieser
Bauaufgabe ändert sich immer mehr. Denn ein allgemein
zugängliches Gebäude mit unterschiedlichsten Nutzungen
wie Retail, Gastronomie, Entertainment und einer umfas-
senden Wohlfühlatmosphäre zu planen ist schließlich sehr
anspruchsvoll. Und dennoch ist es heutzutage vor allem auch
das Einkaufen, durch das sich Deutschlands Innenstädte
definieren. Es ist die Architektur des Konsums, die spätes-
tens seit den 60er-Jahren zum wesentlichen städtebauli-
chen Faktor wurde. Man kann es kritisieren und für einen
Verfall des Urbanen halten: Doch es sind Retailflächen
und Gastronomiekonzepte, die für Leben in den zentralen
Citylagen sorgen – auch dann noch, wenn in den Büroetagen
längst Feierabend ist und vor den öffentlichen Gebäuden
die Bürgersteige hochgeklappt werden. Das Sich-Treffen,
Verweilen und gemeinsame Shoppen ist der große städtebau-
liche Treiber geworden – und diese Aufgabe sollte durch die
Architektur angenommen und verantwortungsvoll bewältigt
werden. Denn die Veränderungen des Konsumverhaltens
durch den Online-Handel bedrohen keineswegs nur einige
traditionelle Ladenbesitzer. Sie bedrohen die deutschen
Innenstädte – und werden dadurch zur architektonischen
und städtebaulichen Aufgabe. Negieren lässt sich diese
Herausforderung jedenfalls nicht. Und wer dies weiterhin tut,
der handelt verantwortungslos. Ganz nebenbei: Die Gestaltung
von Retailflächen ist ein enorm großes Betätigungsfeld für die
deutsche Architektenschaft, die bislang und mit Ausnahme
einiger weniger Büros leider weitgehend den internationalen
Großbüros überlassen wird. Ich frage mich, weshalb dies
so ist. Denn egal, ob es um Stadionbauten oder Healthcare-
Architektur geht: Überall sonst zählen deutsche Architekten
zur Weltspitze. Lediglich die Architektur des Konsums scheint
ein blinder Fleck im Blickfeld der freiberuflich tätigen Kollegen
zu sein. Hier mangelt es – von einigen berühmten Ausnahmen
abgesehen – zumeist am Interesse an dieser Bauaufgabe und
damit auch an der speziellen Fachkenntnis über die ehernen
Regeln der Funktionalität und die Entwicklung des stationären
Handels in den Zeiten von Amazon und Zalando.
Emotionen und Geschichten
ECE betreibt selbst ein großes Planungsbüro mit rund 300
Architekten und Ingenieuren. Daneben werden die Arbeiten
analog zur Leistungsphase 1 der HOAI, in der sogenannten
Creative design phase, von unserer Abteilung mit insge-
samt 30 Mitarbeitern übernommen. Aus dieser Perspektive
betrachtet, wissen wir sehr genau, weshalb manche
Shopping-Center erfolgreich sind – und manche eben nicht.
Und eines ist uns vollständig klar geworden: Am wichtigsten
ist stets die kluge Kombination von Funktion und Emotion in
einem Projekt. Nur eine richtige Funktionalplanung, aufgela-
den durch eine emotionale Komponente, die sich auf den Ort,
die Geschichte und die anzusprechenden zukünftigen Kunden
richtet, entscheidet über den Erfolg oder den Misserfolg
eines Shopping-Centers. Es ist dieses „Schwarzbrot“, das