7
PORTAL
41
Foto: BraunS / iStock
ZUM THEMA: KINDER
BESSERWISSER
ARCHITEKTUR ZWISCHEN PARTIZIPATION UND HELIKOPTERELTERN
von Päivi Kataikko-Grigoleit und Dirk E. Haas
Erwachsene wissen, wie Kinder Architektur
und Raum wahrnehmen. Meinen sie. Aber
seien wir ehrlich: Viele haben doch ver-
lernt, wie Kinder zu denken. Stattdessen
machen sich Helikoptereltern Sorgen
um das Wohl der Kleinen, lassen sie
kaum aus den Augen und fordern erhöhte
Sicherheitsvorschriften. Ist das Resultat
noch Architektur für Kinder? Päivi Kataikko,
Gründerin des Vereins „JAS – Jugend
Architektur Stadt“, und Dirk E. Haas meinen,
dass für Kinder, nicht für Eltern gebaut
werden sollte.
Für viele Architekten zählt das „Bauen für Kinder“ zu jenen
Aufgaben, die sie mit hoher Motivation angehen: Die sozialen
Aspekte der Architektur sind dort besonders offenkundig.
Hinzu kommt häufig die persönliche Motivation – etwa als
Eltern, die Kindertagesstätten und Schulen als wichtige und
prägende Lebensumgebungen für ihre Kinder erkennen.
Investitionsoffensive
Architekten haben derzeit viele Gelegenheiten, „für Kinder“ zu
bauen. Gegenwärtig ist der Bedarf an Kindertagesstätten und
Schulen enorm hoch. Entsprechend viele Gebäude werden
gebaut, saniert oder erweitert. Das hat mehrere Gründe: Sie
reichen vom beträchtlichen Investitionsstau im Schulbau über
die generell wachsende gesellschaftliche Wertschätzung von
Bildung sowie neuen Anforderungen wie Ganztagsbetreuung
und Inklusion bis hin zum seit 2013 gültigen Rechtsanspruch
auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. All das geht ein-
her mit staatlich geförderten Investitionsoffensiven in den
Bereichen Bildung und Betreuung. „Bauen für Kinder“ ist
derzeit also auch ein ökonomisch wichtiges Handlungsfeld, in
dem allerdings sehr viel unter hohem Zeitdruck gebaut wird
– schließlich muss der Bedarf jetzt gedeckt werden und nicht
erst in zehn Jahren. Dieser Zeitdruck kann jedoch schnell
zulasten sorgfältiger Planungs- und Bauprozesse gehen.
Bei zeitlich befristeten Förderprogrammen sind Kommunen
praktisch dazu gezwungen, möglichst viele Projekte innerhalb
kürzester Zeit zu realisieren.
Phase 0
Wichtiger Bestandteil guter Planungsprozesse ist die
Einbeziehung der Nutzer – und zwar möglichst frühzeitig.
Das heißt: bereits bei der Formulierung der Planungsaufgaben,
aber auch in den späteren Planungsphasen, wenn es um die
konkreten Entwurfslösungen geht. Oft fehlen nicht nur die
Zeit, sondern auch die finanziellen Mittel, um solche vorge-
schalteten Planungsprozesse mit den Nutzern durchzuführen.
Die HOAI kennt keine „Phase 0“; vielen Architekten fehlt auch
die Erfahrung, um zum Beispiel intensive Planungsprozesse
mit Kindern und Jugendlichen durchzuführen beziehungswei-
se deren Ergebnisse in die eigene Entwurfsarbeit zu integrie-
ren. Die Befürchtung, Kinder und Jugendliche würden in sol-
chen Planungsprozessen utopische und letztlich unrealisier-
bare Ideen einbringen, ist nach wie vor verbreitet. Genauso
wie die paternalistische Haltung, aus der heraus eher für als
mit Kindern und Jugendlichen geplant wird, denn „wir wissen
bereits, wie man für Kinder baut und was gut für sie ist“.
Differenzierte Typologie
Betrachtet man jedoch, wie ausdifferenziert die Bauten
für Kinder und Jugendliche mittlerweile sind – von den
Kindertagesstätten bis hin zu Schulen und jugendkulturellen
Zentren –, dann zeigt dies eindrücklich, dass es durchaus
sehr große Unterschiede gibt, wie man mit und für Kinder
bauen kann. Es hat unter anderem viel damit zu tun, dass die
pädagogischen Konzepte vielfältiger, um nicht zu sagen indivi-
dueller, werden und damit letztlich auch die entsprechenden
Gebäude. Die normierten Standardtypologien, die es in der
Geschichte des Schulbaus immer wieder gegeben hat, wei-
chen zunehmend individuelleren Lösungen, die sich aus den
spezifischen Anforderungen an eine Schule ergeben. Solche
individuellen Lösungen entstehen jedoch nur, wenn auch die
Nutzer ihr praktisches Wissen um die konkreten Bedürfnisse