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Foto: AlexBrylov / iStock
und Jugendliche nicht – in welcher Form auch immer – betei-
ligt werden. Zwar wird häufig angeführt, dass Kinder und
Jugendliche, die im Vorfeld von Planungs- und Bauprozessen
an Werkstätten oder ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen,
nicht selten nach der Realisierung von meist mehrjährigen
Bauvorhaben selbst nicht zu den Nutzern zählen werden, da
sie zwischenzeitlich aus dem entsprechenden Alter heraus-
gewachsen sind. In diesen Fällen agieren Kinder jedoch in
den Beteiligungsprozessen gewissermaßen stellvertretend
für ihre jeweilige Altersgruppe – die Qualität ihrer Ideen und
die Breite ihrer Interessen sind davon nicht berührt, zumal die
Beteiligungsprozesse an sich für die Kinder und Jugendlichen
bereits einen besonderen Wert haben. Sie werden gefragt,
gehört und können Ideen einbringen, sie entwickeln Know-
how in Fragen demokratischer und baukultureller Bildung.
Stadt der Kinder
Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in
Planungsprozesse kann und sollte jedoch nicht auf kinder-
und jugendspezifische Orte und Einrichtungen beschränkt
bleiben. Kinder und Jugendliche sind Bewohner, nicht
nur „Konsumenten“ der Stadt. Sie sind gewissermaßen
„Koproduzenten“ des Städtischen, also jener Vielfalt und
Urbanität, die das Leben in Städten für alle attraktiv macht.
Einige Städte und Gemeinden gehen in jüngster Zeit dazu
über, sich explizit zu kinder- und jugendfreundlichen
Kommunen entwickeln zu wollen, und legen entsprechende
Planungskonzepte vor. Sie haben verstanden, dass Kinder-
und Jugendfreundlichkeit ein wichtiges Merkmal für die
Qualität des Zusammenlebens in der Stadt ist. Mit Blick auf
den interkommunalen Wettbewerb um Einwohner ist Kinder-
und Jugendfreundlichkeit zudem ein relevanter Standortfaktor.
Solche Entwicklungskonzepte können nicht ohne Beteiligung
der entsprechenden Zielgruppen erarbeitet werden. Dabei
ist darauf zu achten, dass Kinder und Jugendliche eben nicht
nur zu den einschlägigen Themenfeldern (Kindertagesstätten,
Schulen, Spiel- und Sportplätze), sondern auch zu Fragen
des Wohnungsbaus, des Verkehrs oder der sozialen und
kulturellen Ausstattung der Stadt eingebunden werden. Im
Grunde genommen ist dies bereits seit den 1970er-Jahren, als
die Bürgerbeteiligung im Baugesetzbuch verankert wurde,
eine verpflichtende Aufgabe der Kommunen. Die seinerzeit
entwickelten Instrumente (Bürgerversammlungen, formelle
Offenlegungen von Plänen) sind jedoch für die Zielgruppe der
Kinder und Jugendlichen kaum geeignet. Mit der Novellierung
des Baugesetzbuches im Jahr 2013 wurden daher Kinder und
Jugendliche erstmals explizit als Teil der zu beteiligenden
Öffentlichkeit benannt. Für deren Beteiligung müssen nun
geeignete Verfahren und Methoden entwickelt und erprobt
werden. Auch legen Fördermittelgeber bei Projekten der
Städtebauförderung zunehmend Wert auf eine obligatorische
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
Mehr Gebrauchsqualität
Planen mit Kindern und Jugendlichen ist demnach kein
Luxus, kein „Nice-to-have“, auch wenn dies in der
Planungspraxis häufig so erscheinen mag. Die Probleme
liegen zunächst in der „Planung von Planung“, also in der
Vorbereitung von Planungsschritten und Planungszeiträumen
für ein Vorhaben. Sorgfältige Planungsvorbereitung – unter
Einbeziehung der relevanten Nutzergruppen und vor der
eigentlichen Entwurfsplanung – benötigt ausreichend Zeit,
damit die wesentlichen Grundlagen und Qualitätsziele mit
den Beteiligten erarbeitet werden können. Damit einher geht
die Frage der Finanzierung: Solange es keine verlässlichen
Planungsbudgets für Leistungen wie dieser „Phase 0“ gibt,
wird das vorbereitende Planen mit Kindern und Jugendlichen
bei entsprechenden Bauaufgaben als zusätzlicher Aufwand
häufig die Ausnahme bleiben. Viele Kollegen sind noch
unerfahren in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, da
dieses Arbeiten teilweise andere Methoden erfordert als
die Beteiligung von Erwachsenen. Architekten, die sich
dennoch dazu entschließen, profitieren von der kreativen
Intelligenz der Kinder und Jugendlichen und ihren manchmal
ungewöhnlichen und überraschenden Vorstellungen. Die
Planungszeiträume werden meist nur unwesentlich länger;
im Gegenzug entstehen räumliche Lösungen, die in der Regel
mehr Gebrauchsqualitäten aufweisen.
Foto: REFLEX architects_urbanists
Autorin: Päivi Kataikko-Grigoleit
ist Partnerin des Büros REFLEX architects_urbanists, Vorsitzende des
Vereins JAS – Jugend Architektur Stadt, und seit 2002 wissenschaftliche
Angestellte an der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund, Fachgebiet
Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung. Zuvor war sie in ver-
schiedenen Architekturbüros in Finnland, Schweden, Deutschland und
den Niederlanden tätig. Ihre beruflichen Schwerpunkte liegen in den
Bereichen Entwerfen, partizipative Planungsprozesse und pädagogische
Architektur. Sie ist zertifizierte Schulbauberaterin der Montag Stiftung.
Autor: Dirk E. Haas
ist Partner des Büros REFLEX architects_urbanists mit langjähriger
Erfahrung in der formellen und informellen Stadtentwicklungsplanung
(weitere Schwerpunkte: Stadterneuerung, pädagogische Architektur,
Raumforschung). Zuvor war Dirk E. Haas Research Fellow und
Lehrbeauftragter an der TU Dortmund. Er veröffentlicht zu aktuellen Fragen
der Stadt- und Raumentwicklung. Für die Montag Stiftung Urbane Räume
war er von 2006 bis 2013 als externer Berater und Projektleiter verschiede-
ner Vorhaben im Themenfeld „Pädagogische Architektur“ tätig.