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28 TRADITION: WIRTSHAUS DONISL IN MÜNCHEN

Bayerischer geht es kaum als im „Donisl“.

Das Wirtshaus steht amMünchner Marien­

platz und mithin nicht nur im Herzen

Bayerns, sondern quasi in der rechten

Herzkammer. Hier machen es sich die

Gäste seit ein paar hundert Jahren kom­

mod. Und seit Hild und K die bayerische

Traditionsgaststätte für die Bayrische

Hausbau komplett neu aufgebaut haben,

ist sie ein Beispiel für den zeitgemäßen

Umgang mit einem nicht unerheblichen

architekturhistorischen Fundus.

„Donisl“ ist die mundartliche Verkürzung des Dionysius.

Selbiger ist ein frühchristlicher Heiliger, was zeitweise wieder-

um zur Verwendung des Namens für bayerische Knaben führte.

Und ein solcher Dionysius mit Nachnamen Härtl wiederum

war im 18. Jahrhundert einer der Wirte dieses Gasthauses.

Nicht der einzige, nicht der erfolgreichste und schon gar nicht

der berühmteste – aber immerhin blieb sein Name an dem

Wirtshaus kleben. Genauso zäh zumindest wie zeitweise der

Ruf, eine wahre Räuberhöhle gewesen zu sein, in der das

Personal in den 1980ern die K.-o.-Tropfen wie Weißbier aus-

schenkte und regelmäßig die Zeche der entsprechend betäub-

ten Gäste optimierte. Das hört man amMarienplatz heute zwar

gar nicht mehr gern, doch ist diese Episode nun zum Teil einer

einzigartigen Wirtshaushistorie fermentiert, die von der teuers-

ten Werbeagentur nicht besser hätte erfunden werden können.

Tabula Rasa

Weil der „Donisl“ im Krieg zerstört und nur hastig wieder-

aufgebaut wurde, entschied der Besitzer der Immobilie – die

Bayerische Hausbau – Ende 2012, „Tabula rasa“ zu machen.

Bis auf die bemalte Fassade ist der „Donisl“ nun wirklich

vollständig neu. Und der Architektur kam die Aufgabe zu, bei

dieser Totaloperation die Wirtshausgeschichte nicht komplett

auf der Strecke zu lassen. Und dabei hätte ziemlich viel schief-

gehen können. Routinierte Gastro-Planer hätten den Genius

loci ebenso routiniert begraben. Oder genauso schlimm: Eine

volkstümelnde Wirtshaus-Architektur wäre entstanden, die

alle Versatzstücke „typisch bayerischer“ Gestaltung kritiklos

addiert. Doch der Glücksfall trat ein. Das lokale Büro Hild und K

mit Andreas Hild, Dionys (sic) Ottl und Matthias Haber lieferten

ein Glanzstück des zeitgenössisch angemessenen Umgangs

mit historisch schwer beladenen Orten. Denn sie arbeiteten

weder sklavisch konservatorisch noch naiv nachahmend.

Reinheitsgebot

Stützen und Bögen des Innenhofes sind nicht gleichmä-

ßig angeordnet. Symmetrisch kann schließlich jeder. Die

Architekten ordneten sie unregelmäßig an, durchbrachen

die stupide Tradition und brachten den ganzen Raum in

angenehme Bewegung. Die festverglasten Fenster zitieren

mit ihren schmiedeeisernen Gittern die Rosetten gotischer

Kirchenbauten. Diese werden zu einem Leitmotiv, das

ganz oder in Fragmenten überall wieder auftaucht – an

den verglasten Innentüren, der Absturzsicherung oder den

Stuckornamenten. Ganz selbstverständlich variierten die

Architekten den größten Stolz der Bayern. Ihr „Reinheitsgebot

aus dem Jahre 1516“ regelt schließlich deutschlandweit,

woraus Bier bestehen darf. Und ebenso, wie im Bier künstli-

che Zutaten verboten sind, vermieden die Architekten auch

im „Donisl“ unnatürlichen Werkstoff, wo es möglich war.

Kalkputz, Naturstein und natürlich viel Holz prägen den Raum.

Brauereitypisches Messing und Kupfer komplettieren den

Materialkanon.

Tradition ist keine Last

Die Gäste sitzen auf Birnbaumstühlen an Tischen aus dicken

Ahornplatten. Und weil der „Donisl“ nicht nur 300 Jahre hin-

ter sich, sondern eine ähnliche Zeitspanne vor sich haben

soll, können diese Materialien aus dem „architektonischen

Reinheitsgebot“ ordentlich Patina ansetzen. Im „Donisl“ haben

Hild und K bewiesen, dass überreiche bayerische Ortshistorie

und Traditionen keine Last sind, sondern ein Fundus, aus der

Zukunft gestaltet werden kann.

Die Fassade aus den 1950er-Jahren blieb bestehen.