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Dynamisch zieht sich der Dachrand auf den Boden des Dachgeschosses.

JUNG: WOHNEN IN DER JUGENDHERBERGE IN BAYREUTH

Mit der neuen Bayreuther Jugendherberge

lüftete das Laboratory for Visionary

Architecture die mehr als hundert Jahre

alte Herbergsidee ordentlich aus. Denn die

neue Architektur macht sie als internatio-

nale Begegnungsstätte junger Menschen

wieder fit für die nächsten 100 Jahre.

Die klassische „Jugendherberge“ ist ein deutscher „hid-

den champion“ in der internationalen Hotellerie. Denn was

weltweit als Youth Hostel inzwischen tausende Ableger

hat, das erfand 1909 Richard Schirrmann, ein deutscher

Realschullehrer und Förderer der „Jugendbewegung“.

Mit der Klampfe in der Hand und einem Volkslied auf den

Lippen suchten die sogenannten „Wandervögel“ den Weg

aus industrialisierter, urbaner Ödnis zurück in die unverdor-

bene Natur – und brauchten dabei eben gelegentlich auch

günstige Übernachtungsgelegenheiten. Lange prägte dieses

Jahrhundertwende-Erbe auch Image und Erscheinungsbild

vieler Jugendherbergen in Deutschland. Und zu oft wird dort

fälschlicherweise noch der diskrete Charme der 1920er-Jah-

re vermutet. Das wachsende Imageproblem hatte Gründe

in erfolgreicher Konkurrenz: Denn billigere und oft schi-

ckere „Hostel“–Anbieter haben Hochkonjunktur. Mit dem

Workshop „Jugendherberge 2015“ wurde darauf reagiert –

und die Architekten von LAVA setzten in Bayreuth erstmals

alle Forderungen der Neukonzeption um.

Gemeinschaftliches Erleben

Inhaltlich blieben die Wurzeln erkennbar. Denn weiterhin

müsse „Gemeinschaft erlebt“ werden können. Doch nun soll

dies – sehr zeitgemäß – in „ganzheitlicher Nachhaltigkeit“

geschehen. Ein hoher zentraler Raum mit vielen Durch­

blicken und ungewöhnlicher Gestaltung soll die Gäste stets

„staunen“ lassen. Die architektonische Forderung nach

authentischer Materialität wurde griffig in die Formel „hart

aber herzlich“ übersetzt. Und weil die Bewohner gele-

gentlich recht grob mit den Herbergen umgehen, wurde

die einfache und robuste russische Raumstation MIR zum

ideellen Vorbild genommen und nicht – so LAVA – das eher

empfindliche Hightech-Pendant der ISS. Für den Bayreuther

Neubau wurde ein y-förmiger Grundriss gewählt, bei dem

sich der lange und die beiden kürzeren Flügel in einem

durchaus spektakulär über mehrere Geschosse reichenden

Zentralraum treffen, der nun alle Funktionszonen beherbergt.

Die geforderte „erlebte Gemeinschaft“ ergibt sich dort fast

von alleine. Und für das erhoffte Staunen unter den Gästen

sorgten die Architekten aus dem „Laboratory for Visionary

Architecture“ (denn genau dies bedeutet die Abkürzung

LAVA) mit ihrer bekannten CAD-geprägten Entwurfshaltung

aus komplexen fließenden Formen. Weil aber – siehe oben

– die eher grob konstruierte russische MIR Pate stehen

sollte, verkamen die eleganten Fassadenschwünge nicht

zum formalistischen Selbstzweck. Sie erschließen statt-

dessen das Haus über mehrere schiefe Ebenen hinweg,

ergeben ganz nebenbei so manche barrierefreie Rampe,

verknüpfen innen mit außen und vermeiden eine langweilige

Aneinanderreihung der 45 Zimmer.

Zukunftstaugliche Jugendherberge

„Hart aber herzlich“ ist eindeutig der Innenausbau.

Einfache, aber authentische Werkstoffe sind auf inno-

vative Weise detailliert – ohne deshalb zu komplex und

empfindlich für die Nutzung durch Jugendgruppen zu

werden. Drehbare Betten machen die Räume flexi-

bel. Robuste Materialien werden zu realitätstauglichen

„Nutzeroberflächen“. Bayreuth ist nicht Berlin. Trotzdem

kann es die neue Jugendherberge in Oberfranken

mit jedem schicken Weltstadt-Hostel aufnehmen

und ist ein Symbol des gelungenen Neuanfangs der

Jugendherbergsbewegung. Das LAVA-Konzept vertreibt

den Mief von mehr als hundert Jahren „JuHe“ aus den

Schlafsälen und lüftet Richard Schirrmanns Herbergsidee

ordentlich aus. Und dabei zeigt sich: Das Konzept hat nicht

nur eine große Vergangenheit. Dank neuer Architektur ist

es als internationale Begegnungsstätte junger Menschen

wieder zukunftstauglich.