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Eine führerlose Bahn bringt den Reisenden zum Satelliten.
ZUWACHS: SATELLITEN-TERMINAL IN MÜNCHEN
Wer wenig fliegt, für den ist Reisen immer
noch ein Abenteuer. Wer viel fliegt, der
weiß, dass Reisen harte Arbeit ist. Der neue
Münchner Satelliten-Terminal bietet beiden
Zielgruppen das passende Ambiente und
Reisenden aus aller Welt ein authentisches
Bild Bayerns – das wie selbstverständlich
mit Deutschland gleichgesetzt wird.
Bayern blüht, und „München leuchtet“. Thomas Mann meinte
dies noch ironisch. Inzwischen ist die Stadt allerdings tat-
sächlich zur Boom-Town geworden – und auch der Flughafen
wächst unaufhörlich weiter. Die Flughafen München GmbH
hat in Zusammenarbeit mit der Lufthansa „ihren“ Terminal 2
zu einem Drehkreuz ausgebaut – und denkt noch weiter. Denn
als K+P Architekten seinerzeit den Terminal entwarfen, da
hatten sie auch dessen Erweiterung im Blick. Der Tunnel einer
führerlosen Mini-U-Bahn wurde vorsorglich gebaut, und die
Aufstockung der neuen Gepäcksortieranlage auf dem Vorfeld
war schon damals geplant.
Der weiße Flughafen
25 Millionen Passagiere checken schon jetzt pro Jahr im
Terminal 2 ein. Weitere 11 Millionen fahren nun von dort
mit der Flughafen-U-Bahn eine Station weiter. Und nach
der nächsten Erweiterung werden es dann wohl sogar 17
Millionen sein. Allesamt erreichen sie den neuen Satelliten-
Terminal sozusagen durch die Kelleretage. Denn einen
klassischen Eingang hat dieses ungewöhnliche Gebäude
nicht. Oben angekommen herrscht dann Ordnung. Auch wer
nicht mehrfach wöchentlich dort umsteigt, weiß jederzeit,
wo er gerade ist, und findet ohne Hilfe der Beschilderung
seinen Weg. Desorientiert umherirrende Urlauber gibt es hier
jedenfalls keine. Gestalterisch unterscheidet sich der neue
Bereich kaum vom älteren Rest. Denn es sollte beim „weißen
Flughafen im grünen Erdinger Moos“ bleiben, den damals
Günther Grzimek und Otl Aicher definiert hatten. Deshalb
dominiert Weiß neben Grau und Silber, und die Glasflächen
schimmern weiter im leichten Grün des Eisenoxids der
Scheiben. K+P Architekten entwickelten die ursprüng-
lichen Gestaltungsrichtlinien fort und entwarfen für die
Innenfassaden und Verkaufsflächen ein einheitliches System.
Made in Germany
AS+P – Albert Speer und Partner waren für die Sentor- und
Business-Lounges der Lufthansa zuständig. Und eine Lounge
ist immer noch etwas Besonderes. Denn sie trennt die Spreu
der gelegentlich Reisenden vom Weizen der Vielflieger,
und ein wenig bedient sie auch den Sehnsuchtsfaktor. Der
Reisende ist schließlich auch Mensch – und den verlangt es
auch in der Masse der Mitmenschen stets nach Orientierung
und Positionierung. Wer in der öffentlichen Abflughalle fast
fünf Euro für den Kaffee zahlt, der schielt natürlich auf die
Besucher der Business-Lounge. Und wer dort vor der Theke
steht, der wünscht sich insgeheim, zu den „Senatoren“ zu zäh-
len, die gleich nebenan mit Luxus umsorgt werden. Das neue
Lounge-Konzept der Lufthansa wurde am Satelliten-Terminal
prototypisch umgesetzt. Und beide Projekte sind im allerbes-
ten Sinne „deutsch“. Große Sorgfalt im Detail, hohe Qualität
der Materialien, eine fröhliche Nüchternheit und vor allem
der Verzicht auf modische Formenspielereien – so werden in
Deutschland Autos gebaut (und in Bayern Flughäfen).
Pünktlich und zuverlässig
Dass der Flughafen politisch zwar in Deutschland liegt, unter
lokalpatriotischen Gesichtspunkten allerdings in Bayern,
das kann zur Zeit der „Wies’n“ nicht übersehen werden.
Allenthalben treten Service-Mitarbeiter von Autovermietern
und sonstigen Airport-Dienstleistern in Dirndl und Lederhosen
auf – und machen jedem Reisenden klar, auf wessen
Hoheitsgebiet er sich befindet. Und das Allerwichtigste: Im
ewigen Konkurrenzkampf mit dem Rest Deutschlands sind
die Bayern ungemein stolz darauf, dass sie „ihren“ neuen
Satelliten-Terminal pünktlich und im Kostenrahmen fertigge-
stellt haben. Denn sowas ist ja mit Seitenblick auf Berlin nicht
selbstverständlich.