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Löschzüge und Rettungsfahrzeuge. So interpretieren jeden
falls die Nutzer die Form ihres Domizils. Die Profi-Wehr
männer, der Löschzug Mitte der freiwilligen Feuerwehr und
schließlich die Fahrzeuge des Notarztes und der Rettungs
sanitäter bekamen je einen eigenen Windmühlenflügel,
die sich organisatorisch in der Mitte treffen. Randall Stout
selbst wollte lediglich die Zusammenarbeit der unabhängi
gen Institutionen räumlich darstellen. In Bünde wurde also
versucht, die Kubatur aus der Organisationsform und der
Bewegungsfunktion abzuleiten. Damit ist dies ein exemplari
sches Beispiel einer verbreiteten architektonischen Haltung
zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Und sie ist auch Ergebnis
des Verlusts von typologischen Merkmalen der Bauaufgabe
Feuerwache und des Drangs, diese durch neue Formen zu
ersetzen. In der Hoch-Zeit der Entstehung öffentlicher Feuer
wehrhäuser gab es dagegen funktionale Elemente, die zu
gleich emblematisch für den Bautypus waren. Die Reihung
von großformatigen Toren ermöglichte das nahezu gleich
zeitige Ausrücken. Der Turm war zugleich ihr Wahrzeichen,
ihre Übungswand, Träger der Alarmsirene, und er diente
der Beobachtung der Stadt darunter und dem frühzeitigen
Erkennen von Brandherden. Er war auch unerlässlich, um
darin die vom Gebrauch nassen Schläuche aufzuhängen
und zu trocknen. Die Rutschstange schließlich, mit der die
Feuerwehrleute aus dem Obergeschoss mit den Ruheräumen
direkt in die Fahrzeughalle gelangten, wurde zum baulichen
Sinnbild für die Dynamik des Feuerwehrmannes. Wo nicht
einmal mehr Zeit bleibt, eine Treppe zu nutzen, da ist Tempo
einfach alles. Brände werden jedoch längst nicht mehr vom
Ausguck aus erkannt, und moderne Schläuche landen im
Schlauchtrockner. Der Turm des Feuerwehrhauses zählt des
halb nicht mehr zu den Erkennungsmerkmalen des baulichen
Typus, den zu decodieren bis dato wirklich jedermann in der
Lage war. Er verschwand fast immer, und was blieb, ist die
Reihung der Tore, hinter deren gläsernen Ausfachungen die
blitzenden und blinkenden Einsatzfahrzeuge stehen. Und wo
dies allein nicht genügt, um der Feuerwache Ausdruck zu
verleihen, da wird gerne zur Farbcodierung gegriffen. Nahe
liegend ist es, das Feuerwehrhaus in der traditionellen Farbe
der Feuerwehr zu streichen. Deshalb sind die neu gebauten
oder frisch renovierten Feuerwehrhäuser sehr gerne zu
Beginn noch leuchtend signalrot – ehe sie dann nur allzu
oft chamäleonartig und unter Einfluss des die Farbpigmente
zersetzenden UV-Lichtes der Sonne in ein latent peinliches
Schweinchenrosa übergehen. Während die Feuerwache
in Bünde breitschultrig auftritt und als große Architektur
wahrgenommen werden möchte, ist das Feuerwehrhaus in
Bochingen maximal weit von diesem Anspruch entfernt. Es
ist nicht Architektur, sondern das Resultat dörflicher Gemein
schaftsarbeit. Der 1970er-Jahre-Bau wurde von den freiwil
ligen Feuerwehrleuten zuerst innen und schließlich auch
außen komplett saniert. Hier zahlt sich aus, dass freiwillige
Feuerwehrtrupps mehr sind als Rettungsdienste. In ihren
Reihen finden sich Vertreter der unterschiedlichsten Berufs
gruppen – immer jedoch praxisorientierte Männer (oder
Frauen) der Tat. Der gestalterische Anspruch orientiert sich
dabei eher am Maßstab des eigenen Einfamilienhauses. Im
Vordergrund steht absolut die Funktion des Gebäudes – oder
besser die Multifunktionalität. Denn ein richtiges Dorf-Feuer
wehrhaus ist (mindestens) zugleich Geräteraum, Partyzone,
Großküche, Organisationsbüro von ausufernden Dorffesten
und vor allem Zentrum des sozialen Lebens. Und die gemein
same Arbeit an einem Feuerwehrhaus wie in Bochingen
ist nicht nur Ausdruck des dörflichen Zusammenlebens,
sie ist zugleich deren Zement. In diesem Sinne erfüllt das
Feuerwehrhaus Marke Eigenbau einige der wesentlichen
Kriterien des partizipatorischen Bauens. Einer heute fast
schon vergessenen Strömung der Architektur der Moderne,
die in den 1970er- und 80er-Jahren mit dem Anspruch auf
trat, den Nutzer nicht als passives Objekt der Architektur
zu betrachten, sondern als selbst agierendes Subjekt. Ihn
eben nicht nur baukünstlerisch zu bedienen, sondern viel
mehr mindestens zu integrieren, zu aktivieren oder gar zu
eigenem Handeln zu veranlassen – und das Bauen ganz neu
im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Die Profi-
Feuerwehr in Bünde wurde in diesem Sinne architektonisch
traditionell wohlmeinend bedient. Die freiwillige Feuerwehr
Bochingen bediente sich ganz einfach selbst.
Foto: Christina Dragoi, Stuttgart, DE
Autor: Dr.-Ing. Dietmar Danner
ist ausgebildeter Tageszeitungsredakteur, studierte Architektur und
promovierte mit einer Arbeit über Geschmacksbildungsprozesse in
der Architektur. 25 Jahre arbeitete er als Redakteur bei verschiede
nen Design- und Architekturzeitschriften – einen Großteil davon als
Chefredakteur / Verlagsleiter von AIT und xia. Konferenzen und Workshops
führten ihn immer wieder auch nach Indien. 2013 verabschiedete er
sich in die Selbstständigkeit, gründete mit Architect’s Mind eine eigene
Kommunikationsagentur, veranstaltet weltweit Kongresse und Workshops
und publiziert erfolgreiche Architektur-Fachzeitschriften.
www.architectsmind.de