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Die langgestreckte Feuerwache in Molsheim mit dem dramatisch wirkenden
Übungsturm. (Vorherige Seite)
Für mehr Tageslicht in der Fahrzeughalle wurden die roten Industrie-
Sectionaltore von Hörmann mit Verglasungen versehen. (Unten)
Molsheim? Da war doch etwas? Weltweit bekannt wurde
das schmucke Städtchen mit seinen 9221 Einwohnern jeden-
falls nicht wegen seiner schönen Jesuitenkirche, sondern
als Geburtsort des Supersportwagens Bugatti. Hier sitzt
jene Firma, die den Veyron anbietet, die faszinierendste und
zugleich ultimativ sinnloseste Fahr-Maschine, die je erdacht
wurde. Im selben Ort steht dagegen ein eindrucksvolles
Beispiel für die denkbar sinnvollste Architektur-Maschine.
Denn mit ihrer Feuerwache zelebrieren die Architekten
Aubry-Lieutier eine elegante Maschinenästhetik, die formal
angemessen und sozial unumstritten ist. Die scharf geschnit-
tene Kubatur des Gebäudes ist in marineblau lackierte
Metallpaneele gehüllt und reckt ihren Übungsturm drama-
tisch in den elsässischen Himmel. Wo sich die Haut öffnet,
da werden rote Hörmann Industrie-Sectionaltore sichtbar,
die zwar dramatisch wirken, aber letztlich doch nur die klas-
sische Corporate-Farbe der Löschzüge zeigen. Aubry-Lieutier
spielen hier gekonnt mit den Bildern der internationalen
Feuerwehr-Ästhetik und schießen dabei nie übers Ziel hin-
aus. Denn die eigentliche Funktion einer Rettungswache wird
an keiner Stelle den willkürlichen Zwängen einer gewollten
Inszenierung unterworfen. Die Funktion bleibt vorrangig,
wird in ihrer Effizienz nicht eingeschränkt und gerät doch
nie zum Selbstzweck. Wer das Gebäude betritt, der stellt
fest, dass die innere Wegeführung der Arbeitsweise einer
Wache angepasst ist und die Ruheräume samt Kantine
allesamt im Obergeschoss angeordnet wurden. Über eine
„Notfall-Achse“ werden die Funktionszonen miteinander
verbunden. Wo Stützenfreiheit gefordert ist, da werden
weit spannende Stahlträger eingesetzt. Ansonsten domi-
nieren Mauerwerk und Beton als konstruktive Baustoffe. Im
Innenhof wechselt die Atmosphäre dagegen abrupt. Statt
Metall in kühler Präzision dominiert hier das Holz in seiner
Natürlichkeit. Diese Zone ist als Rückzugs- und Ruheraum
für die Feuerwehrleute gedacht. Und deshalb orientiert
sich die Gestaltung hier auch nicht mehr am öffentlichen
Bild einer allzeit einsatzbereiten und hoch effizienten
Rettungsorganisation, sondern an den Bedürfnissen von
Menschen, die nach dramatischen und emotional oftmals
hoch belastenden Einsätzen nur noch Ruhe brauchen. Die
Feuerwache in Molsheim zeigt also zwei völlig unterschied-
liche architektonische Charakterzüge – und ist doch nie-
mals schizophren, sondern ein bemerkenswert gelungenes
Beispiel zeitgenössischer Architektur.
FEUER- UND RETTUNGSWACHE MOLSHEIM