26
LESSINGGYMNASIUM IN BRAUNSCHWEIG
Schon in den 1960er-Jahren wurde in Deutschland von einer
„Bildungskatastrophe“ gesprochen. Anfang 2000 riss der
„PISA-Schock“ alte Wunden auf. Kurz: Die Diskussion ist
nicht neu, das Bildungssystem in Deutschland hat so seine
Schwierigkeiten. Die Probleme sind vielschichtig. Eines
davon – wenn auch nicht das wichtigste – sind die maro-
den Schulen. Das Lessinggymnasium in Braunschweig ist
so eine. Wasser tropfte von den Decken, es bröckelte an
allen Ecken und Enden, die Kapazitäten der Mensa waren
hoffnungslos überlastet. Dieser Zustand sorgte für medi-
ale Aufmerksamkeit und brachte der Schule den Ruf als
schlimmste Schule Norddeutschlands ein. Mittlerweile ist
das Gebäude aus den 1970er-Jahren für rund 16,8 Millionen
Euro zu großen Teilen saniert und erweitert. Prunkstück
ist sicherlich die neue Aula, entworfen von Dohle+Lohse
Architekten. 4,7 Millionen Euro der Gesamtsumme hat ihr
Bau gekostet. Sie steht als Solitär neben dem Bestandsbau
und ist über eine Glasfuge mit ihm verbunden. Verkleidet
ist sie mit grauen, geschliffenen Faserzementplatten
unterschiedlicher Größe. Damit greifen die Architekten
zwar thematisch die gerasterte Fassade des Altbaus auf,
geben dem Äußeren der Aula jedoch eine andere Dynamik.
Auswirkungen auf die Fassade hat auch die Anordnung
der Räume: Sie sind zueinander leicht versetzt. Dadurch
entstehen Ecken und Kanten, Nischen und Erker, die
Blickbeziehungen schaffen oder brechen. Dieser optischen
Unruhe setzen die Architekten zurückhaltende, schlichte
Materialien entgegen. Flächige Lichtmembrandecken beru-
higen den Raum zusätzlich. Anders im Veranstaltungsraum.
Hier spielen die Architekten mit linearen Lichtlinien und
einem Wechsel von direkter und indirekter Beleuchtung.
Ebenfalls eine besondere Bedeutung im Gestaltungskonzept
haben die Türen von Schörghuber: Sie werden zum Teil als
pure, flächige Holzscheiben vor die eigentlichen Öffnungen
in den Sichtbetonwänden gesetzt und inszenieren so
geradezu den Durchgang von einem Raum in den ande-
ren. Manchmal ist eine Tür besonders groß und schwer,
manchmal bewusst klein oder nicht sichtbar als eine Art
„Tapetentür“ gehalten. Die Räume selbst sind relativ flexibel
in ihrer Funktion, „wodurch viele Bereiche des Gebäudes als
Inseln des informellen Austausches, der spontanen Aktion
und des persönlichen Ausdruckes genutzt werden können“,
so die Architekten. Der Veranstaltungsraum selbst bietet
schließlich Platz für rund 350 Personen.
Die unterschiedlich großen Fassadenplatten tragen maßgeblich zur
Fassadengestaltung bei. (vorherige Seite)
Gegliedert wird die Fassade auch durch die leicht zueinander versetz-
ten Funktionsräume. Sie sind durch Erker in der Fassade ablesbar. Eine
Außenbühne entsteht hingegen durch einen Einschnitt in die Kubatur. (unten
links)
Durch eine 2-flügelige Rauchschutztür von Schörghuber gelangt man in die
Aula. Sie ist kombiniert mit einer Rauchschutz-Festverglasung, die erste
Einblicke in den Raum gewährt. (unten rechts)