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Die darauf folgende Generation orientierte sich eher an

den USA. Es wurde üblich, den Bachelor an den damals

ursprünglich rund 20 indischen Schulen zu machen – und

dann einen Master in den USA. Raghavendrans Söhne

studierten in Berkeley und Chicago, die Tochter seines

Bruders in Austin, Texas. Im Moment gibt es in Indien

rund 200 Ausbildungsstätten, die nach jedem Semester

eine Flut junger Architekten produzieren. Viele davon

gehen nach Dubai, nach Singapur oder verschwin-

den in anderen Nischen: Visualisierungen sind eine

Spezialität des indischen Architekturnachwuchses. Es

wunderte Raghavendran deshalb wenig, als er in einem

Computerspiel eine in architektonischer Hinsicht per-

fekte 3D-Darstellung des Florentiner Doms entdeckte.

Sie stammte von einem indischen Architekten, der seine

Zukunft in der boomenden Industrie für Computerspiele

gesucht und gefunden hat. Die städtebaulichen Kulissen

für actiongeladene Spiele wollen schließlich auch entwor-

fen sein.

Ungefilterter Architekturtransfer

Die Jahrtausendwende wurde zum Startschuss für Indiens

Computerbranche und für Indiens Bauwirtschaft. Denn

die allgemeine Angst vor dem weltweiten Kollaps der

Software, die mit der Umstellung aufs neue Jahrtausend

nicht zurechtkommt, sorgte für viele Neustarts und

den Auftragsboom in der indischen IT-Industrie.

Amerikanische Softwarekonzerne bauten für die indischen

Programmierer neue Konzernzentralen – und wollten

dort dasselbe sehen wie in Los Angeles oder Seattle.

Das Resultat war ein ungefilterter Architekturtransfer.

Die US Replicas sorgten immerhin dafür, dass die

Brandschutzrichtlinien aus den 1930er-Jahren aktualisiert

wurden. Sie importierten allerdings auch Materialien,

die denkbar ungeeignet für das Bauen in tropischen

Regionen sind. Großflächige Verglasungen haben mit

indischer Kultur so wenig zu tun wie mit indischem

Klima. Zu einer wirklich kulturell wie klimatechnisch

angepassten Architektur führten diese offensichtlichen

Fehlentwicklungen niemals. Raghavendran prangert die

„hirnlose Verwendung von Glas“ an und ist sich gleich-

falls bewusst, dass die Rückbesinnung auf historische

indische Bauformen auch keine Lösung sein kann. Große

Konzerne verlangen historisierende Bauten ebenso wie

staatliche Einrichtungen. Dabei ist es gar nicht so ein-

fach, „den“ indischen Stil zu finden. Der Hotelkonzern ITC

fordert deshalb, die Bauten den regionalen Herrschern

anzupassen. Den Maharajas in Rajasthan, den Moguln

und Moria in Delhi oder den Cholan in Chennai. Indische

Regionalregierungen eifern den privaten Bauherren nach

und lassen öffentliche Bauten nach den jeweils regionalen

Vorbildern errichten. Es geht stets darum, eine indische

Identität zu stiften, die dem neu erwachten Stolz der

Nation gerecht wird.

Neo-Historismus und andere Kuriositäten

Mal äußert sich dies im Neo-Historismus und mal

im kuriosen Architekturimport, wenn etwa eine

Regionalregierung in einer Replik des Opernhauses

von Sydney zu tagen wünscht. Und was tun, wenn

eine Bauaufgabe in einem historischen Formenkanon

nicht vorgesehen war? Wie etwa sieht ein Mogul-

Konferenzzentrum aus? Raghavendran kritisiert auch

das Projekt einer indischen Smart-City – und kaum hat er

dies gesagt, erlischt im Konferenzraum das Licht, denn

gerade ist in Chennai wieder mal die Stromversorgung

zusammengebrochen. Solange die Infrastruktur nicht

einmal mit den Basisanforderungen der Gegenwart fertig

wird, sind ihm intelligente Zukunftsstädte deutlich zu weit

entfernt. Vor allem, weil Indiens öffentliche Bauherren zu

raschem Sinneswandel neigen. Das Regierungsgebäude

in Chennai ist ein Beispiel dafür: Von Gerkan, Marg und

Partner gewannen den Wettbewerb und errichteten das

monumentale Bauwerk. Dumm nur, dass fast zeitgleich mit

der Eröffnung die bis dahin regierende Partei abgewählt

wurde und die neuen Mehrheitsparlamentarier sich mit

dem deutschen Projekt nicht mehr identifizieren wollen.

Was tun mit einem übrig gebliebenen Parlament? Es wird