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PORTAL
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Die ersten Spezialisierungen, die ich bewusst wahrnahm,
konzentrierten sich auf Kinder- und Familienhotels in
Österreich sowie auf das Konzept, das Club Med an fernen
Stränden für die unterhaltungsbedürftige „Generation Disko“
etablierte. Mit der Zeit realisierte man auch in der gewöhn-
lichen Hotellerie, dass zum Beispiel das vielfältige gastrono-
mische Angebot kaum in Anspruch genommen wurde und
Schwimmbäder einen, in Bau und Betrieb, teuren und gleich-
zeitig risikoreichen Luxus implizierten, der ebenfalls in keiner
Relation zur geringen Nutzung stand.
Neue Designstandards
Eine weitere einschneidende Veränderung bedeutete der
Einzug der amerikanischen Hotelketten in Deutschland.
Als 1963 das Luxushotel InterContinental in Frankfurt seinen
Betrieb startete, galt die Tatsache, dass alle Zimmer mit
individuellen Bädern ausgestattet waren, noch als ganz
besonders. Fortan prägten diese Hotels zwar den Markt,
doch im Gegensatz zu ihrer vermeintlichen Omnipräsenz
befinden sich auch heute noch rund 70 Prozent der Hotels in
Deutschland in privater Hand. Dennoch sind und waren diese
Hotelketten diejenigen, die nun die Standards in Angebot und
Design definierten – auch wenn es nach wie vor die individu-
ellen Privathotels sind, die ungewöhnliche Akzente setzen.
Die Hotelketten achteten auf einen möglichst effektiven
(und profitablen) Ablauf im Hotel und erklärten uns Planer
auf Basis wissenschaftlicher Studien über das vermeintlich
unverfrorene Verhalten der Gäste auf: Wir lernten, dass
sich Gäste im Hotel grundsätzlich wie Schweine aufführen,
die Schuhe mit der Gardine putzen, die roten, abfärbenden
Socken auf den weißen Seidenlampenschirm zum Trocknen
legen, Kaugummi auf den Boden spucken, Kaffee verkle-
ckern. Wenn wir nicht entsprechende Muster und Farben
in Teppich, Gardine und Lampenschirm einsetzen, die der-
artige Flecken quasi unsichtbar werden lassen, müsse das
Zimmermädchen zehn Minuten pro Tag und Zimmer länger
putzen. Auf alle Zimmer hochgerechnet bedeute dies unwei-
gerlich die Pleite des Hotels.
Designhotels
Der bedeutendste Impuls kam in den 1980er-Jahren, als Ian
Schrager, einer der Gründer des legendären „Studio 54“,
zunächst mit André Puttman und dann mit Philip Starck das
Genre der Boutique-/Designhotels erfand. Mag sein, dass
es schon vorher Versuche gab, die Hotellerie aus der ame-
rikanischen Einheitssoße zu befreien. Doch das Morgans,
das Paramount und das Sanderson stellten sicherlich die
spektakulärsten Hotelinszenierungen des vergangenen
Das Berliner Hotel Adlon Kempinski gilt als eines der bekanntesten und
luxuriösesten Hotels in Deutschland. Es folgt ganz der Tradition des
1907 eröffneten ursprünglichen Hotels Adlon, das am Ende des Zweiten
Weltkrieges ausbrannte und später abgerissen wurde. (vorherige Seite.)
Das JW Marriott in Cannes wurde vor Kurzem vom Autor und seinem Büro
JOI-Design renoviert. Mit dezenten Farben wird zugleich eine zeitgemäß
zurückhaltende als auch luxuriöse Designsprache verwendet. (links.)
Eine Wohlfühlatmosphäre bietet die ebenfalls von JOI-Design entworfene
Lobby des Le Méridien in München. (rechts)
Fotos: Hotel Adlon (vorherige Seite), JOI-Design (diese Seite)
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