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Nicht nur farblich ragt die Sankt-Marien-Kirche hervor.

BAUKULTUR: MUSIKFORUM IN BOCHUM

Bloß kein „elitäres Konzerthaus im klas-

sischen Sinne“ wollten die Stuttgarter

Architekten Bez + Kock realisieren.

Sie schufen stattdessen einen vor-

bildlichen öffentlichen Ort für U- und

E-Musik. In unmittelbarer Nähe des

legendären Bochumer Partyviertels

„Bermudadreieck“ – aber absolut ohne

Risiko, darin verlorenzugehen.

Bochum ist nicht Hamburg, und die örtlichen Symphoniker

bekamen keine Philharmonie mit globalem Anspruch,

sondern ein Musikforum im westfälischen Maßstab. Es ist

nicht nur Heimat des örtlichen Orchesters, sondern auch

Musikschule und Bühne der regionalen Musikszene. Für

die nötige Erdung sorgt aber vor allem das direkte Umfeld.

Das Konzerthaus steht schließlich beim Bermudadreieck,

der legendären Bochumer Kneipen- und Partymeile.

Delikate Architektur

Eines haben das Hamburger Konzerthaus und das

Bochumer Pendant immerhin gemeinsam. In beiden Fällen

ging es darum, auf ein Bestandsbauwerk aufzubauen und

Neues zu erschaffen. In Bochum war es die ehemalige

Kirche Sankt Marien. Kein architektonisches Juwel zwar,

aber immerhin eine städtebauliche Dominante. Bez + Kock

nutzten den Kirchenraum als neues Foyer und ordneten die

Konzerthausräume zu beiden Seiten an. In der Straßen­

flucht wurden sie dabei ein gutes Stück nach hinten

gerückt. Allein die alte Kirche ragt wie selbstverständlich

hervor. Eine saubere Fuge hält Neues auf Abstand zum

Alten. Bez + Kock schufen mit ihrem Entwurf kein archi-

tektonisches Crescendo. Es bleibt stattdessen bei der eher

leisen Kammermusik. Sowohl außen wie auch im Inneren

kamen die Architekten ohne Spektakel aus. Es genügten

ihnen wenige leitmotivisch eingesetzte Werkstoffe und

perfekt durchdachte Details, um ein höchst delikates Stück

Architektur entstehen zu lassen. Der neohistoristischen

Kirche mit ihrem seinerzeit angemessenen neugotischen

Formenreichtum gaben die Architekten betont schlichte

Anbauten – es variiert jedoch die ortstypische Materialität.

Denn das Klinkermauerwerk der Kirche wurde für die

Vorsatzschalen der Anbauten zwar zitiert – aber zugleich

weiterentwickelt. Während das alte Mauerwerk an der

Kirchenfassade unangetastet blieb, wurden die neuen

Klinker weiß geschlämmt. Die Schönheit dieses großflä-

chigen Mauerwerks bleibt dabei weitgehend ungestört,

und nur am oberen Rand bildet eine Reihe eng gestaffelter,

senkrechter Fensteröffnungen eine Art Obergaden – ein

Motiv, das sich traditionell nur an Kirchenschiffen wieder-

findet.

Atmosphäre des Besonderen

So sehr die Kirche im Äußeren unangetastet blieb, so

kräftig wurde sie im Inneren verändert und der neuen

Funktion als Foyer des Musikforums angepasst. Heller

Terrazzo an Böden und Wänden lässt die Flächen mit-

einander verschmelzen, und künstliches Licht, das in

Spiegeln reflektiert, entmaterialisiert die Kirchendecke.

Die Festlichkeit des ehemals sakralen Innenraumes

bleibt auch in der neuen profanen Nutzung erhalten. Sie

gibt dem Entree des Konzerthauses die Atmosphäre des

Besonderen, ohne ins Elitäre abzugleiten. Auch die ande-

ren verwendeten Materialien unterstützen diesen Eindruck.

Sie sind nicht übertrieben edel – aber dafür hochwertig

eingesetzt und sauber verarbeitet. Kupfer wird überall dort

verwendet, wo Metall als Werkstoff benötigt wird. Die

funktionalen Einbauten im Foyer sowie die Rückwände des

Konzerthauses und der Akustik-Screen wurden aus ameri-

kanischer Kirsche gefertigt. Heller Stucco lustro vollendet

den Materialkanon. Die bodenständig westfälische Art

sorgte dann auch dafür, dass sich das kleine Musikforum

von der großen Elbphilharmonie in einem nicht ganz

unwichtigen Punkt deutlich unterscheidet. Statt der offizi-

ell genannten 866 Millionen Euro, die an der Elbe verbaut

wurden, genügten zwischen Ruhr und Emscher gerade mal

40 Millionen.