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20 HOCHKULTUR: ELBPHILHARMONIE IN HAMBURG

Benjamin Koren ist Geschäftsführer von One to One und ver-

antwortlich für die Berechnung des akustischen Konzepts der

Elbphilharmonie, geplant vom Japaner Yasuhisa Toyota. Im

Interview erläutert er die komplexe Herausforderung.

Was stellt die größte Herausforderung bei der Planung der

Akustik eines Konzertsaals dar?

Ich vermute, die große Herausforderung an der Planung

der Akustik und eines Konzertsaals allgemein ist, dass alle

Aspekte wie etwa die Akustik, die Architektur, das Licht, die

Szenografie und die Haptik der Oberflächen harmonieren.

Auch wenn der Hörsinn bei einem Konzert im Vordergrund

stehen mag, spielen alle Sinne zusammen eine wesentliche

Rolle beim Konzerterlebnis.

Wie sind die Oberflächen des Großen und des Kleinen

Saals gestaltet? Worin liegen die Unterschiede?

Die Oberflächengeometrien der beiden Säle gleichen

sich darin, dass sie beide ein unregelmäßiges, sich nicht

wiederholendes geometrisches Muster aufweisen. Sie

unterscheiden sich im Maßstab: Im Großen Saal sind die

Zellen der Oberfläche im Schnitt etwa 3 cm tief und 8 cm

im Durchmesser, im Kleinen Saal etwa 5 cm tief bei einem

Durchmesser von rund 20 cm. Der Unterschied leitet sich aus

der Größe und der Raumgeometrie des Saals ab.

Wie wirken diese Oberflächen akustisch?

Die ondulierenden Oberflächen, im Großen wie im Kleinen

Saal, bewirken, dass der Schall gestreut wird. Im Gegensatz

zu glatten Oberflächen, bei denen der Ausfallswinkel des

Schalls mit dem Einfallswinkel identisch ist, zerstreuen

die akustischen Paneele den Klang gleichmäßig in alle

Richtungen. Das hat den Effekt, dass der Zuhörer regelrecht

mit Klang umhüllt wird.

Welche Rolle spielt die Flächendichte und somit das

Gewicht, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen?

Schall ist kinetische Energie. Damit diese Energie auch

reflektiert werden kann, bedarf es der Masse. Deswegen

sind die akustischen Paneele recht schwer. Gipsfaser, das

Material, aus dem die Paneele im Großen Saal gefertigt ist,

hat eine Dichte von 1500 kg/m³. Die Paneelstärken wurden so

berechnet, dass jedes Paneel ein Gewicht zwischen 35 und

200 kg aufweist. Sofern ich richtig informiert bin, wiegt die

gesamte akustische Innenhaut des Großen Saals – samt

Unterkonstruktion – ca. 1600 t, das ist in etwa so schwer wie

300 Elefanten.

Welche Anforderungen müssen Türen unter diesen

Umständen in solch akustisch optimierten Räumen erfüllen?

Türen dürfen keine Resonanzkörper sein, dürfen also nicht

ins Schwingen kommen. Das heißt, sie haben von Grund

auf schon ein hohes Eigengewicht, dazu kommen in der

Elbphilharmonie noch die akustisch wirksamen Oberflächen.

Gerade die Türbänder müssen also einiges an Gewicht aus-

halten.

Wieso sind die Türen im Kleinen Saal mit der schallstreu-

enden Oberfläche versehen, im Großen Saal jedoch nicht?

In der Tat sind die Zugangstüren der Musiker zur Bühne im

Kleinen Saal durchgängig mit der Akustikhaut verkleidet,

im Großen Saal jedoch nicht – eine der wenigen Stellen,

wo das Muster unterbrochen wird. Zwar gibt es einige

Tapetentüren in den oberen Rängen des Großen Saals.

Die Musikertüren an den beiden Seitenwänden der Bühne

sind jedoch akustisch nicht relevant, da sie fast parallel zur

Bühnenvorderkante ausgerichtet sind, während sie sich

im Kleinen Saal seitlich an der Wand befinden und sehr

wichtig sind für die Reflektionen. Ein weiterer Grund: Die

Türen wären, mit den schweren Gipsfaserplatten verkleidet,

sehr schwerfällig zu öffnen gewesen und würden sich auch

relativ schnell abnutzen. Stellen Sie sich vor, die Sopranistin

oder der Tenor steht kurz vor dem Einsatz im 4. Satz und

bekommt die Türe kaum auf! Die Architekten haben die

Musikertüren im Großen Saal daher mit der gleichen dezen-

ten Glasfasermembrane verkleidet, hinter der sich auch, in

unmittelbarer Nähe neben der Bühne, Zeilenlautsprecher

verbergen.

Benjamin Koren über Schall

in der Elbphilharmonie