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Die „Canyon“ genannte Erschließungsfläche zwischen den vier Türmen.
HINGUCKER: GALAXY SOHO IN PEKING VON ZAHA HADID ARCHITECTS
Parametrismus ist laut Zaha Hadid und
Patrik Schumacher nicht nur der legi-
time Nachfolger der Moderne, sondern
auch auf jede Bauaufgabe anwend-
bar. Bei vielen großen städtischen
Gebäudekomplexen in Peking dienten die
spektakulären parametrischen Formen
dazu, der Immobilie die gebührende
Aufmerksamkeit sowie einen zukunftsori-
entierten Charakter zu verschaffen.
In Peking wurde eines der letzten Projekte der in die-
sem Jahr verstorbenen Zaha Hadid vollendet. Mit fast
333.000 Quadratmetern Nutzfläche bildet das Galaxy SOHO
beinahe ein eigenes Stadtviertel – und diese gewalti-
ge Dimension und der Gebäudekomplex rechtfertigten
offenbar den Einsatz einer parametrischen, von Hadids
Partner Patrik Schumacher definierten Entwurfstechnik.
Denn der „Parametrismus“ liefert unter Beachtung aller
begleitenden funktionalen und gestalterischen Parameter
mithilfe computergestützter Entwurfsmethoden das ideale
Gebäude: für den Bauherrn, den Nutzer, den städtebauli-
chen Kontext.
Legitimer Nachfolger der Moderne
Die dem Rechner zur Verfügung gestellten Informationen
ergeben allerdings zumindest in fast jedem Falle eine hoch
spektakuläre Form, die in der allgemeinen Öffentlichkeit
das gewünschte Aufsehen erregt und dem Ort wie dem
Objekt einen unübersehbaren Stempel aufdrückt. Und
zwar gleichgültig, ob es sich um einen parametrischen
Entwurf für Damenschuhe, Blumenvasen, Sitzmöbel oder
groß dimensionierte öffentliche Architektur-Projekte
wie das Galaxy SOHO handelt. Neben Büros und
Entertainment-Flächen sollten vor allem dort Shopping-
Areas dominieren. Dabei war es natürlich von Vorteil,
dass der Parametrismus auf fast jede Entwurfsaufgabe
und vor allem jeden Ort der Welt anwendbar ist – weshalb
Patrik Schumacher ihn auch als legitimen Nachfolger der
Moderne und neuen international Style beschreibt.
Traditionelle Innenhöfe
Als Hadid 2009 den Auftrag erhielt, für den chinesischen
Investor ein anspruchsvolles Projekt zu realisieren, da
war es ihr Ziel, mit dem Galaxy SOHO auch auf die tradi-
tionelle chinesische Architektur mit den typischen Wohn-
Innenhöfen zu reagieren. Damit war also ein zusätzlicher
Parameter definiert, mit dem die Rechner in London fer-
tigwerden mussten. Und letztlich entstanden daraus vier
bis zu 15-geschossige Türme, die durch einen „Canyon“
genannten Einschnitt getrennt und durch Himmelsbrücken
miteinander verbunden wurden. Zusammen mit einem
Untergeschoss ergibt sich ein Raumvolumen, das bis
zum 34. Obergeschoss für Unterhaltungsdienstleistungen
genutzt wird. Alle darüberliegenden Etagen dienen als
Büroflächen.
Pionierarbeit
Da die parametrische Entwurfsmethode grundsätzlich
weich und dynamisch fließende Formen hervorbringt,
war es eine besondere Herausforderung, dafür die nicht
nur geeignete, sondern zugleich auch ökonomische
Fassadenkonstruktion zu finden. Vor allem galt es aber,
in den expressiven Formen einen sinnvollen Anteil von
Nutzflächen unterzubringen. Dafür mussten die Kurven
vielfach neu berechnet und nachjustiert werden, um
den Anteil der mehrfach gekrümmten Fassadenelemente
zu reduzieren – jedoch ohne dabei die Dynamik der
Form zu gefährden. Die komplexen Formen brachten
zahlreiche baukonstruktive und fertigungstechnische
Herausforderungen mit sich – die letztlich nur mit den
Möglichkeiten des Building Information Modeling bewäl-
tigt werden konnten. Das auf jeden Fall hochspektakuläre
Gebäude provozierte bautechnische Pionierarbeit und
führte dann aber auch zum gewünschten wirtschaftlichen
Erfolg.