36 STADTORDNER: POSTPARC IN BERN VON ANDREA ROOST ARCHITEKTEN
Andrea Roost gelang eine erfolgrei-
che Operation am offenen Herzen einer
Stadt. Im Berner PostParc musste eine
echte städtebauliche Verklumpung über
dem Hauptbahnhof sorgfältig aufgelöst
werden. Verkehrsflächen, Büroräume,
Gastronomiebereiche und nicht zuletzt
Shopping-Zonen wurden entwirrt, geordnet
und dann mit ruhiger Hand neu gestaltet.
Die aufgesetzte Show-Architektur und das gewollt
Spektakuläre so mancher Gegenwartsbauten scheint dem
Schweizer Nationalcharakter eher zu widersprechen.
Beim Projekt in Bern wurde deshalb ganz bewusst auf die
„Mittel heiterer Fassadenspielereien“ verzichtet, wie es
der Architekt selbst formulierte. Andrea Roost wählte statt-
dessen alleine die „formale Reduktion“ als gestalterisches
Mittel. Deren „Ästhetik liegt im Sachlichen“ – so Roost –
„und macht in diesem Sinne das Unauffällige auffällig“.
Herz der Hauptstadt
Die ehemalige Schanzenpost ist tatsächlich ein
Kernstück der eidgenössischen Hauptstadt, und durch
die Eisenbahngleise, den Hauptbahnhof, vielerlei
Dienstleistungsfunktionen sowie ein Bürogebäude ist
es entsprechend verdichtet. All diese Elemente werden
durch vielfältige Fußgängerverbindungen verknüpft, und
eine lange Baugeschichte schafft eine hochkomplizierte
Haustechnik und eine schwer durchschaubare Statik. Statt
dieses komplexe Gefüge durch aufgeregte Formen wei-
ter unleserlich werden zu lassen, entschied sich Andrea
Roost jedoch für die gegenteilige Strategie. Mit ruhigen
Großformen und horizontaler Schichtung im oberen Bereich
konterkarierte er die zwangsläufige Unregelmäßigkeit
auf dem Fußgängerniveau des Stadtbodens. Gerade
diese Fußgänger standen im Mittelpunkt des Entwurfs.
Die Verbindungen innerhalb des Areals sind nun direkter,
die zur Verfügung stehenden Flächen großzügiger. Zwei
städtische Plätze kamen hinzu, wertvolle Mietflächen
wurden dafür aufgegeben. Doch dieser Verzicht war es
wert. Denn die neue Ordnung tut dem Ort gut. Dass das
Projekt runde zehn Jahre in Anspruch nahm, verwun-
dert nicht. Vorhandene Bausubstanz musste erhalten,
konstruktiv bearbeitet, haustechnisch bewältigt und vor
allem funktional „ent“-schachtelt werden. Ganz nebenbei
sollte auch die darunter liegende Bahn in ihrem künftigen
Entwicklungspotenzial nicht eingeschränkt werden. Und vor
allem: Dieses Herz der Hauptstadt schlug währenddessen
immer weiter.
Lebendiger Treffpunkt
Und wie jeder hoch frequentierte Verkehrsknotenpunkt
ist ein Hauptbahnhof stets auch eine bevorzugte Lage für
Retailflächen und Gastronomie – einerseits, um kurzfristigen
Bedarf der Reisenden zu decken, andererseits aber auch,
um den Bahnhof zu einem Ort der Begegnungen zu machen.
Die reine Mietfläche im Erdgeschoss wurde zu Gunsten
eines vergrößerten öffentlichen Raumes und entsprechen-
der räumlicher Qualitäten zwar reduziert, bei der Körnung
der Retailflächen wurde aber Wert darauf gelegt, keine
Monostruktur zuzulassen, sondern im Gegenteil eine hohe
Diversifizierung des Angebotes zu erreichen. Die für gastro-
nomische Betriebe zur Verfügung gestellten Flächen sollen
den Bahnhof zu einem lebendigen Treffpunkt machen.
Gegenentwurf zur Event-Architektur
Insgesamt wurde der PostParc damit zum Gegenentwurf
jener Event-Architekturen, die mit möglichst großem forma-
len Spektakel Aufsehen erregen und Kundeninteresse auf
sich ziehen, das Bild der Stadt aber verunklaren. Denn oft
genug missachten solche Bauten das städtische Umfeld.
Der PostParc beweist jedoch, dass in komplexen räumli-
chen Situationen und an empfindlichen Orten mindestens
ebenso erfolgreich mit klassischen architektonischen
Werkzeugen gearbeitet werden kann. Andrea Roost machte
das Bild der Stadt Bern besser lesbar und an diesem wich-
tigen Knotenpunkt einprägsam.
An den geschwungenen Dächern der Bahnsteige wird noch gearbeitet.