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22 KINDERZUKUNFT: BERUFLICHE OBERSCHULE IN REGENSBURG

Letztlich gleicht der Wettlauf zwischen

Schulbau und pädagogischem Konzept dem

Rennen von Hase und Igel. Egal, wie sehr

sich der Hase Architektur auch bemüht – der

Igel der Pädagogik scheint längst da zu sein.

Die Architekten Schulz und Schulz verwei-

gern sich diesem chancenlosen Duell.

Gebäude sind offenbar vorwiegend funktional determiniert –

so könnte man angesichts der alten Regensburger Kaserne

jedenfalls meinen. Die ihnen dabei jeweils zugewiesenen

Bedeutungen sind dagegen maximal dehnbar. Im Süden der

Stadt erbauten die Nationalsozialisten eine Flak-Kaserne, die

von den US-Truppen nahtlos als Fort Skelly genutzt und von

der Bundeswehr schließlich als Nibelungen-Kaserne wei-

terverwendet wurde. Als die letzten Soldaten die Gebäude

verlassen hatten und das Gelände abgeräumt war, da ent-

schieden 2012 die Architektenbrüder Ansgar und Benedikt

Schulz den Wettbewerb um den Neubau einer „Beruflichen

Oberschule“ für sich.

Fortschreibung der Moderne

Und weil Schulz und Schulz bekanntermaßen ausgewiese-

ne Anhänger der klassischen Moderne in ihrer Bauhaus-

Ausprägung sind, geriet ihr Entwurf auch keineswegs

zur Überraschung. Wie schon in ihren vorangegangenen

Bauten widmeten sie sich der behutsamen Fortschreibung

der Moderne – oder ihrer konservatorischen Bewahrung

(je nach Blickwinkel). Ihr im Falle Regensburgs offensiv

genanntes Vorbild: Die Gewerkschaftsschule Bernau des

damaligen Bauhaus-Direktors Hannes Meyer aus dem

Jahr 1930 – Vorbild gebend für so manchen Schulbau in

Deutschland. In Anlehnung an Meyer staffelten sie mehrere

identische Gebäudeteile dem abfallenden Gelände folgend

und verbanden sie im Inneren mit Split-Leveln. Und weil die

neue Oberschule drei fachliche Schwerpunkte bietet, gibt es

folgerichtig auch drei zu staffelnde Gebäudeteile – ergänzt

um Sporthalle, Kommunikationszonen und Verwaltung. Die

Fassade ist durch Klinker in abgeflachtem Sonderformat

geprägt – vor allem aber durch die überaus akkurat entwor-

fenen Details, die ohne Versprünge und ohne Verblechung

vollständig in einheitlichem Material ausgeführt sind.

Rettungsanker

Schulz und Schulz nennen die Erschließungsflure ihrer

Schule „Promenaden“. Und sie beschreiben sie als „fle-

xibel nutzbare Kommunikationszonen“, die „in Ergänzung

zum Frontalunterricht individuelle Lernformen in offenen

Lernlandschaften“ ermöglichen. Die Fähigkeit von Bauten,

sich wechselnden Deutungen derselben Funktion anzu-

passen, scheint also nicht nur für die eingangs erwähnten

Kasernen zu gelten. Für Schulbauten ist dies sogar der

Rettungsanker, da sie sonst notgedrungen dem jeweils aktu-

ellen pädagogischen Trend hinterherhecheln müssten, wie

der Hase dem Igel. Zur Erinnerung: Der Hase lässt sich in der

Fabel mit dem Igel auf einen Wettlauf ein – und findet am Ziel

(ohne dies zu ahnen) dessen Doppelgänger wieder (nämlich

die identisch aussehende Igel-Frau), der selbstbewusst

behauptet: „Ick bün all dor.“ Nach der 73. Revanche bricht

der chancenlose Hase tot zusammen. In Deutschland folgt

seit den 1960er-Jahren eine Bildungsreform auf die nächste

– und dieser ewige Wettlauf ist für die Architektur nicht zu

gewinnen.

Dauerhafter Ansatz

Die von Schulz und Schulz gewählte exemplarische

Grundrisslösung nach Meyerschem Vorbild ist mehr

als 80 Jahre alt und hat seither nichts an Aktualität und

Funktionalität verloren. Die Erfahrung hat also gezeigt, dass

die Halbwertszeit einer bundesdeutschen Bildungsreform

deutlich geringer ist als die Bestandsdauer einer

Gebäudetypologie. Der auf den ersten Blick vielleicht wenig

innovative, aber dafür dauerhafte Schulbau-Ansatz von

Schulz und Schulz hat die nötige langfristige Berechtigung.

Und die gestalterisch bestechende Architektur der

Regensburger Oberschule behält ihre Bedeutung ganz

gewiss über den Tag hinaus.