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Auch wenn es ihre Bewohner nicht gerne hören mögen:
Ein wenig steht Bremen stets im Schatten der nahe gele-
genen Metropole Hamburg. Doch während dort noch
erhitzte Debatten über das Prestigeobjekt der Hafencity,
die Elbphilharmonie, ausgetragen werden, vollzieht sich in
Bremens Hafengebieten still und beinahe schon heimlich
ebenfalls ein bemerkenswerter Wandel: Auch die kleine-
re der beiden Hansestädte gestaltet ihre Waterkant neu.
Zur Jahrtausendwende beschloss der Bremer Senat die
Umstrukturierung des nordwestlich der Altstadt gelegenen
Gebiets zur sogenannten Überseestadt, drei Jahre später
wurde der Masterplan präsentiert. Bis 2025 sollen auf über
drei Quadratkilometer – das ist etwa doppelt soviel Fläche wie
bei der Hafencity Hamburg – 450 Unternehmen angesiedelt
und mit ihnen etwa 9000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Exklusive Wohnungen amWasser sollen zudem zahlungskräfti-
ge Käufer an die Weser locken. Anders als in Hamburg verzich-
tet Bremen bei diesem Projekt auf prestigeträchtige Architektur
und setzt stattdessen auf behutsame Einbindung des industriel-
len Erbes. Dazu zählt auch der unter Denkmalschutz stehende
405 Meter lange sogenannte Schuppen Eins, der sich entlang
des Europahafens erstreckt. 1959 wurde das Gebäude als
Umschlagplatz für Stückgut aller Art errichtet. Bis 1993 war
es mit diesem Zweck im Betrieb, ehe die Hafengesellschaft
ihre Geschäfte aufgab. In der Folge diente es noch als reines
Lagergebäude, später stand es leer und wurde 2007 zu je
einer Hälfte an zwei Investoren verkauft und zuletzt aufwendig
saniert. Für den nordwestlichen Teil war das Bremer Büro
Westphal Architekten verantwortlich. Als Bauherr tritt die KJH
Verwaltungs GmbH & Co. KG auf. Ihr Geschäftsführer Klaus
Hornung gab das Thema vor: Das Auto sollte imMittelpunkt
des Hauses stehen – wortwörtlich. Das Erdgeschoss ist Young-
und Oldtimern gewidmet. Entlang eines rund 150 Meter langen,
leicht außermittig liegenden Boulevards sind Werkstätten und
Shops angeordnet, die sich der Automobilität verschrieben
haben. Um den Industrie- und Werkstattcharakter zu wahren,
sind sie lediglich durch transluzente Glaselemente voneinander
getrennt – die zudem ausreichend Licht in das 50 Meter tiefe
Gebäude gelangen lassen. Ergänzt wird das Raumprogramm
durch Gastronomie und als Höhepunkt durch das Mobileum,
in dem in Wechselausstellungen die Bremer Autogeschichte
erzählt wird. Auf einem Zwischengeschoss befinden sich die
jeweils dazugehörigen, sowohl über eine Galerie als auch
intern erreichbare Büros. Auch im Obergeschoss spielen
Autos eine bestimmende Rolle: Neben weiteren Büros befin-
den sich hier zwanzig zum Europahafen hin ausgerichtete
exklusive Maisonette-Wohnungen. Die Bewohner gelangen
mitsamt ihren Mobilen über zwei Aufzüge direkt zu ihrem
rund 160-Quadratmeter-Heim. Zusätzlich zu den privaten – mit
Hörmann-Toren versehenen – Einzelgaragen gibt es dort
noch zwei unbeheizte Hallen für Oldtimer-Besitzer, denen es
zu Hause am entsprechenden Platz mangelt. Um für ausrei-
chend Licht zu sorgen, ist das Dach über der Zufahrtsstraße
ausgespart und vollflächig verglaste Industrietore sorgen für
Transparenz im Inneren. Lichthöfe sowie die an die Architektur
des Bremer Hauses erinnernden Erker gliedern den Weg.
Ein Haus für Autofreunde – wie kann das aussehen? Westphal Architekten aus Bremen
haben die Antwort. Sie planten die Umnutzung eines denkmalgeschützten Schuppens, der
einst als Umschlagplatz des Überseehafens Bremen diente. Sie entkernten das Gebäude
und platzierten zwischen den mächtigen Stahlbetonstützen Werkstätten, Shops, Büros und
Wohnungen – alles mit Bezug zum liebsten Spielzeug des Mannes: dem Auto.
SCHUPPEN EINS IN BREMEN