HOCHHÄUSER VOM HÖHENRAUSCH ZUR STADTIDEE Auch Hochhäuser als die stolzen Ikonen jeder Metropole passen sich den Lebens- bedingungen der Stadtbewohner an. Sie definieren sich nicht mehr allein über die Anzahl der Geschosse und die Monotonie ihrer Funktion. Klaus-Dieter Weiß, Architek- turkritiker und Fotograf, zeigt die Entwicklung von der ganz großen Höhe zum annehm- baren Maßstab an zwei markanten Beispielen auf. Paris hat sich seine bahnbrechenden Ordnungspunkte in- Wende“ ist historisch ohne Beispiel. Diese Verdichtungsauf- nerhalb der revolutionären Systematik Haussmanns mit gabe fällt nicht zuletzt dem Hochhaus zu. Die traditionelle „Grands Projets“, großartigen Bauten, geschaffen. Stadt Hochhauskritik scheint von der Hypothese auszugehen, die hat immer eine utopische Dimension, schon weil sie sich Typologie der Wolkenkratzer sei weder veränderbar noch der natürlichen Ordnung widersetzt. Die wesentliche Rolle entscheidend optimierbar. Tatsächlich ist eine differenzierte der Architektur ist es, eine distanzierte und emanzipierte Weiterentwicklung von Hochhaus-Konzepten der Zweiten Position zur Gegenwart einzunehmen. Über ökonomische Moderne zu beobachten. Kaum ein Hochhaus lässt sich mit Effi-zienz und traditionelle Nüchternheit hinaus wird Urbani- funktionalen oder finanziellen Vorteilen rechtfertigen. tät bestimmt durch gesellschaftliche Räume, innovative Dennoch führen weder wirtschaftliche Krisen noch blutige Milieus und intellektuelle Atmosphäre. Eine gründerzeitlich Katastrophen und Attentate zu einem Verzicht auf den gla- geeichte Traufhöhe ist dafür nicht immer der geeignete mourösen Bautypus. Die uralte Machtsymbolik der Größe, Weg. Je deutlicher sich Architektur vom Gleichmaß der die identitätsstiftende Funktion der prägnanten Form, die Stadt abhebt, um größer die resultierende Bildqualität und politische Brisanz des unübertroffenen Bauwerks haben der Identifikations-wert. Städte brauchen neben ihrem im Laufe der Geschichte nichts an Kraft eingebüßt. gleichförmigen Rhythmus auch Ereignisse, die sie unter- scheidbar machen, die Begeisterung auslösen. Die größere Neue Typologie Bauhöhe des Hochhauses ist dafür prädestiniert. Mit dem Frei nach den utopischen Wolkenbügeln El Lissitzkys aus Überblick und der Fernsicht aus Hochhäusern gewinnt die dem Jahr 1924 zeigen die ursprünglich als Stahlbau ge- Stadt zudem eine Perspektive für ihre kritische Innenansicht planten Kölner Kranhäuser eine neue Typologie des Hoch- und Selbstbetrachtung. Im Jahr 2007 ist die Menschheit zu hausbaus. Anders als beim reinen Büroturm entsteht in der einer urbanen Spezies geworden. Mehr als die Hälfte der Kombination von vertikalen und horizontalen Gebäudeteilen Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Jedes Jahr wächst ein urbanerer Typ von geringerer Höhe (55,50 Meter), dabei die Einwohnerzahl der Städte auf der Erde um 60 Millionen aber deutlich größeren und flexibleren Nutzflächen. Die Menschen. In nur zwei Jahrzehnten werden vermutlich zwei ökonomischen Zwänge zwischen Nutz- und Verkehrsfläche Drittel aller Menschen Stadtbewohner sein – trotz des enor- im konventionellen Hochhausbau werden dabei mit 1.600 men Bevölkerungszuwachses insgesamt. Die „urbane Quadratmetern Bürofläche pro Etage völlig aufgehoben. 04
Portal 26
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